Ahnengedenken in Chemnitz

Ahnengedenken in Chemnitz

Da am 31. Oktober netter Weise bei uns in Sachsen Feiertag ist, trafen wir uns alle gegen 15 Uhr bei Aniko zu Hause. Ich war schon gegen 14 Uhr gekommen, um ihr bei der Vorbereitung der Zierkürbisse zu helfen, die eine recht harte Schale hatten. Eigentlich wollten wir mit den Kindern gemeinsam daraus Windlichter basteln, aber das wäre ein unmögliches Vorhaben geworden. Zum Glück hatte ich das schon am Vorabend erkannt, als ich mit drei dieser Kürbisse kämpfte, die ich für meinen Kürbis-Eierlikör-Kuchen brauchte.
Nach und nach trudelten alle anderen ein, bis wir gegen 16 Uhr 9 Erwachsene und 9 Kinder (alle zwischen 1 — 9 Jahre) waren. In der Zwischenzeit hatten wir 4 Windlichter unter Zuhilfenahme einer Säge gebastelt und noch einige Kürbisse mehr ausgehöhlt für die abendliche Kürbissuppe. Da aber Tina ihren berühmten Schoko-Brownie-Kuchen mitbrachte und ich ja auch einen Kuchen mit hatte, entschieden wir uns erst mal für Kaffeetrinken. Das verhindert auch, dass die Kinder während des Rituals unbedingt das Opferbrot essen wollen. Auch konnten wir während des Kuchenessens den Ablauf des Rituals besprechen und das komplizierte Schachtelsatzgedicht von Aniko durchlesen und uns anschließend darum streiten, wer welche Strophe übernimmt. Als es langsam dunkelte sammelten wir Kinder und Laternen ein und es konnte rausgehen. Im Hof angekommen, war plötzlich Martin verschwunden, der wegen seiner Allergie wohl erst mal das Weite und frische Luft gesucht hatte. Nachdem er nach längerem Warten & Suchen nicht auftauchte, gingen wir schon mal los in der Hoffnung, dass er uns schon finden würde. Allerdings hatte sich Aniko einen neuen Platz im Wald gesucht, der angeblich schneller zu erreichen wäre. So gingen wir plaudernd & singend im Dunklen durch den Wald und waren wieder froh, dass alle Kinder eine Laterne hatten, sonst wären sie wohl im Wald verschwunden. Faszinierend, dass die Kinder überhaupt keine Angst im dunklen Wald haben. Am Platz angelangt, steckten wir die Laternen im Kreis in den Boden und bauten in der Mitte um eine große Kerze unser kleines Götteropfer auf. Jeder hatte etwas mitgebracht: ein kleines Brot, Äpfel, Eier, Honig, Blumen, Getreide… und darum stellten wir unsere vier gebastelten Kürbis-Windlichter. Wir klärten noch einmal kurz die Reihenfolge, als Tina auffiel, dass wir zuerst die Götter & Ahnen einladen sollten. Damit hatte sie sich freiwillig gemeldet und durfte das gleich übernehmen. Wir stellten uns also alle Hand in Hand in den Laternenkreis, immer abwechselnd Kind & Erwachsener. Tina begann mit der Einladung der Götter & Ahnen. Mit Hilfe einer Taschenlampe konnten wir dann alle nach einander Anikos herbstliches Schachtelsatzgedicht vortragen. Es ging darin um die fallenden Blätter, die freiwillig und sanft aus ihrem Dasein scheiden und um die Hoffnung, dass es uns Menschen später so auch beschieden sein möge.
Dazu warfen die Kinder immer eine Handvoll Blätter in den Kreis, die wir auf dem Hinweg gesammelt hatten. Danach erklärte ich die Rune Eiwaz, die wir anschließend intonierten. Was ich immer wieder faszinierend finde, ist die Tatsache, dass die Kinder dabei nie unbehaglich rumnörgeln, sondern manchmal sogar mitsummen — wie auch diesmal wieder. Dann hockten wir uns alle enger in den Kreis und begannen von unsren verstorbenen Lieben zu erzählen — vom Opa, der Mutter, dem Vater, einem Onkel, Freunden und auch von einem Hund. Einige hatten Fotos mit, die herumgezeigt wurden. Plötzlich knackte es gewaltig im Gebüsch und als wir alle erschrocken herumfuhren, polterte plötzlich Martin aus dem Unterholz. Er hatte uns natürlich an der falschen Stelle im Wald gesucht und nach einigem Herumirren im dunklen Wald dann endlich unsere Laternen durch die Bäume scheinen sehen. So konnte er unsre Runde gleich mit seiner Geschichte beschließen. Dann sangen wir einen passenden Kanon von karan:

Wenn die Tage kürzer werden,
dann beginnt die stille Zeit,
alles Neue, alles Neue,
macht im Dunkel sich bereit.

Die Lieder von karan sind herrlich für solche Feste geeignet, weil selbst Leute, die die Lieder nicht kennen, nach dem ersten Hören bereits mitsingen können. Günther verlas dann noch ein schönes November-Gedicht, das nicht so kompliziert ausformuliert war. Tina verabschiedete die Ahnen & Götter und bat sie noch, bis zum nächsten Mal über uns zu wachen. Alle Kinder nahmen nun wieder ihre Laternen, Aniko packte ihre große Ritualkerze wieder ein und kontrollierte mit der Taschenlampe, dass wir außer unsere Opfergaben auch nichts im Dunkel zurückließen. Im Entenmarsch ging es wieder zurück zu Aniko. Unterwegs machten die ersten Kerzen in den Laternen schlapp, worüber einige Kinder ganz bitterlich weinten.
Zu Hause angekommen, bildeten sich sofort die üblichen Gruppen: die Kinder tobten lauthals durch den Flur, die Männer saßen ins Gespräch vertieft in der Wohnstube und die Frauen standen in der Küche und bereiteten die abendliche Kürbissuppe vor und deckten den Tisch. Inzwischen war es schon 8 Uhr abends und Tina begann zu drängeln, da sie früh wieder raus und noch eine Stunde nach Hause fahren mußte. Zum Glück hatte die Kürbissuppe ein Einsehen und wir konnten mit dem Abendessen beginnen. Wie schon beim Kaffeetrinken sprachen die Kinder an ihrem Tisch genauso wie wir Großen an unsrem Tisch einen Tischspruch und es konnte mit dem Essen begonnen werden.

Erde, die uns dies gebracht,
Sonne die es reif gemacht.
Liebe Sonne, liebe Erde,
euer nie vergessen werde!

Wir waren sehr froh, dass Claudia darauf bestanden hat zwei Töpfe voll Kürbissuppe zu machen — selbst die Kinder fragten nach Nachschlag und wir hätten sicher auch noch einen dritten Topf leer bekommen. Da es aber leider nichts mehr gab, gingen die Kinder wieder zum Spielen über, Tina & klein Gerda fuhren nach Hause und wir fragten uns was wir denn jetzt noch machen könnten. Und da fielen uns die beiden Metflaschen in der Küche ein. Während Claudia und ich den Abwasch bewältigten, erhitzte sich der Met langsam im Topf auf dem Herd. Sumbelrunde! Hatten wir noch nie gemacht, also probieren wir das doch einfach mal aus. Da ich die Idee hatte, musste ich beginnen. Ja, was sagt man denn da? Wir hatten 2 Flaschen Met, um uns darüber Gedanken zu machen. Wir tranken auf die Götter, die Ahnen — verstorbene wie lebende — Freunde, die Kinder, Gesundheit & Glück. Wenn uns nichts Sinnvolles einfiel, wurden Trinksprüche, Reime oder Witze vorgetragen. Wir waren der Meinung, dass es ein wundervolles Herbst-Anti-Depressionsfest geworden war und dass wir das mit dem Sumbeln in Zukunft immer machen sollten. Nachdem der Met alle war, sangen wir noch ein schönes Lied, was ich sehr mag, aber schon lange nicht mehr gesungen hab. Zum Glück kannten es Martin & Claudia und ihr Liederbuch und die Gitarre hatten sie ja auch mit:

Gelbe Blätter

Gelbe Blätter fallen im Wind,
wirbeln auf und fliehen dann geschwind
auf grauer Straße immerzu,
finden erst im Winterschnee
ihre Ruh.

Nächstes Frühjahr denkt niemand zurück
An den Herbst und an das Glück,
das ihr mit eurer Farbenpracht
ein Jahr lang zu jeder Stund
habt gebracht.

Neues Leben blüht bald an dem Ort,
wo ihr lang schon habt gebaut,
zu geben wart ihr ständig bereit,
hoftet, dass dies Leben währt
in Ewigkeit.

Nur das Rad der Zeit bleibt niemals stehn,
Menschen kommen und Freunde gehen
Auf grauer Straße immerzu,
habt in meinem Herzen längst
eure Ruh.

Wenn im Herbst die gelben Blätter fliehn,
ihren Weg auf grauer Straße ziehn,
denk ich mit Trauer immer daran,
dass ohne Herbst auch kein Frühjahrstag
kommen kann.

Fröschel

Spät war es geworden, kurz vor Mitternacht! Einige Kinder müssten am nächsten Tag in die Schule! Wahrscheinlich werden sie morgen spontan Husten haben… ähm. Kommt manchmal vor.
Aber es war wieder ein wunderschönes Fest und wir freuen uns schon auf’s Nächste im trauten Kreis.