Der Lebenszyklus und seine Feste

Zeiten des Überganges und ihre Rituale

Unser ganzes Leben ist bestimmt durch bestimmte Regelmäßigkeiten, sei es die Einteilung von Tag und Nacht oder unsere Jahreskreisfeste. So wie wir einen Tag in zwei Abschnitte teilen oder ein Jahr in vier, können wir auch unser Leben in bestimmte Abschnitte teilen. Dieser Lebenszyklus wiederholt sich mit jedem Leben wieder, nur ist es auf den ersten Blick nicht so überschaubar wie ein Tag oder Jahr. Einige Ereignisse werden in unserer Gesellschaft groß gefeiert; nur sind sich die meisten Menschen nicht mehr bewusst warum sie das tun. Sie begehen die Feste nicht bewusst, feiern sie für andere und nicht für sich und ihre eigene Sippe.
Warum sind Rituale wichtig? Übergangsriten geben dem Leben einen bestimmten Rhythmus und dem einzelnen Mensch einen Platz in seiner Gemeinschaft. Durch Rituale wird Neues begrüßt und Altes losgelassen, Lebensabschnitte eingeleitet oder verabschiedet.
Mit dem Feiern von Lebenskreisfesten können wir unserern inneren und äußerlichen Veränderungen ein Gesicht geben, wir können durch Rituale zeigen wo wir stehen, können bewußt einen neuen Weg beginnen oder einen alten hinter uns lassen. Manche Abschnitte begehen wir ganz für uns allein und einige mit der ganzen Gemeinschaft. Egal wie wir sie feiern und begehen, wichtig ist, was man für sich persönlich will. Ich habe gemerkt, daß gerade Kinder es als sehr angenehm und bereichernd finden, wenn man ihnen die Möglichkeit gibt, sich durch die einzelnen Rituale besser zurecht zu finden. Sie können auf Veränderungen besser reagieren und alte Gewohnheiten gut hinter sich lassen. Der Schulanfang oder die Reife sind im Kindesalter zwei sehr wichtige Zeiten in der sich das Kind jedesmal massiv neu orientieren muß. Wir Erwachsenen können ihnen dabei helfen. Und wenn sie als Kinder lernen solche Umbrüche mit der Gemeinschaft, der Familie gemeinsam zu meistern, werden sie als Erwachsene leichter mit diesen Veränderungen umgehen.
Lebenskreisfeste sind keine religiösen Feste, sie binden nicht an einen bestimmten Gott oder Götter, sie binden dich höchstens an das Leben. Sie stellen einen Zusammenhang her zwischen dem Werden, Sein, Vergehen und der Wiederkehr.
Nun zu den einzelnen Lebenszyklen. Eingebettet in Geburt und Tod haben wir etwa vier Zyklen mit jeweils zwei großen Abschnitten die wir durchlaufen.

  • Geburt
  • Namensgebung und Schulanfang
  • Erwachsenwerden und Hochzeit
  • Elternschaft und Selbsfindung/ Rückbesinnung
  • Wechseljahre und Alter
  • Tod
  • Scheidung/Trennung

In unserem Leben gibt es in etwa aller sieben bis zehn Jahre eine Wendung. Jeder Mensch ist anders und bei jeden läuft es auch nicht immer so abrupt ab, sondern zieht sich über zwei/drei Jahre hin. Mein eigener Rhythmus liegt bei etwa acht/ neun Jahren. Das war mir nicht von Anfang an bewußt, ich habe es erst durch mein eigenes Kind erkannt. Auch ich hatte Feste wie Schulanfang und Jugendweihe, die nur gefeiert wurden, weil es alle machen. Daraus nehmen konnte ich mir aber nichts. Sogar meine Taufe (christlich) wurde nur durchgezogen, weil es meinen Opa sonst das Herz gebrochen hätte. Mein Auszug aus dem Elternhaus ging auch ganz leise und sachlich vor sich. Erst mit der Geburt meines Sohnes habe ich einen neuen Lebensabschnitt bewußt begangen.
Ich werde in meine Gliederung noch die Zeit der Trennung und Scheidung mit einbeziehen. Da ich sie aber keiner bestimmten Zeit zuordnen kann und sie auch mal gar nicht mit im Leben vorkommt, werde ich sie zum Schluß behandeln.
Ich möchte mit diesem Text und einigen Erfahrungsberichten die Lebensabschnitte mit ihren Ritualen und Festen wieder mehr in unser Bewußtsein bringen und versuchen, zu erläutern, warum sie so wichtig für uns und unsere Kinder sind. Ich möchte erklären wie es damals gewesen sein könnte, wie es heute ist und wie wir es in unser heutiges Leben einbinden könnten.
In den folgenden Abschnitten beleuchte ich den Idealweg, der unser Leben nehmen kann. Ich gehe davon aus, wie alles verlaufen könnte. Die wenigsten heiraten mit zwanzig, haben danach Kinder und sind sie mit vierzig wieder los. Und wer ist im Alter bei seiner Familie und nicht in irgendeinem Heim? Viele verschiedene Situationen mag es im Leben geben, die unsere Entscheidungen erfordern und dieser Text könnte als kleiner Wegweiser oder Ideenanreiz dienen.

Geburt

Die Geburt des Kindes ist in den meisten Fällen ein besonderes und wunderbares Erlebnis. Das Kind hat sich zum Leben entschieden, zu einem Leben in der Familie, das es sich ausgesucht hat. Manche mögen einen leichten, die anderen einen schweren Start ins jetzige Leben haben, aber sie haben sich entschieden. Zusammen mit der Mama haben sie diesen ersten Weg gemeistert.
Hatten sich unsere Vorfahren für das Kind entschieden, was meistens schon in der Schwangerschaft geschah, wurde das Kind automatisch in die Familie aufgenommen, indem die Mutter das Kind stillte oder der Vater es in den Arm hielt und es als sein Eigenes annahm. Heute ist es im Grunde genommen nicht viel anders – das Kind wird automatisch auf die gleiche Art und Weise angenommen.
Auf meiner Suche nach geeigneten Ritualen für die einzelnen Lebensabschnitte ist mir allerdings immer wieder etwas über den Weg gelaufen, dem ich mit sehr gemischten Gefühlen gegenüber stehe, aber seine Notwendigkeit in gegebener Situation einsehen würde: Kinder aussetzen. In Zeiten der Not oder bei behinderten Kindern war es üblich, die Kinder auszusetzen und ihrem Schicksal zu überlassen. Das war nur möglich, wenn das Kind noch keine Nahrung bekommen hat und von der Mutter sofort verstoßen wurde. War aber keine Not vorhanden oder dem Kind wurde schon etwas zu essen gegeben oder gar schon ein Name, war dies Mord und wurde von der Gemeinschaft nicht geduldet. Auch Abtreibungen gab es zu jeder Zeit, die entsprechenden Kräuter kannte jede Frau und wird sie wohl verwendet haben, wenn es notwendig war.
Beim Schreiben dieses Textes haben wir diskutiert in wie weit diese Sitte heute noch üblich ist und mußten leider feststellen, das sich daran nicht viel geändert hat. Trotz unserer so aufgeklärten Zeit setzen immer noch einige Mütter ihre Kinder aus (z.B.Babyklappe in Krankenhäusern, die noch humanste Lösung), lassen sie verhungern oder quälen sie zu Tode. Doch warum? – Haben wir heute nicht so viel verschiedene andere Wege, die wir wählen können?
Jedes Kind ist ein Segen und sollte wohlwollend in der Familie aufgenommen werden.
Die Geburt ist an sich schon das Ritual. Mutter und Kind gehen zusammen den Weg in ein neuen Lebensabschnitt. Jedes Elternpaar hat sich vorher informiert und entschieden, wie und wo und mit wem sie das Kind ins jetzige Leben holen wollen.
Da bei der Geburt die Schicksalsgöttinen anwesend sind, wäre es schön sie willkommen zu heißen und ihnen ein Geschenk zu bringen, denn sie bestimmen unser aller Schicksal. Und denkt immer daran wie es dem armen Dornröschen erging, nur weil bei einer Fee gespart wurde. Eine andere schöne Geste ist es, der Hebamme einen Dank entgegen zu bringen, denn sie sind weiße Frauen, die dem Kind maßgeblich auf dem ersten Weg Hilfe bieten.

Namensgebung

Der Tag der Namensgebung ist der Tag, an dem der Name des Kindes verkündet wird, es unter den Schutz der Götter gestellt wird und in der Gemeinschaft aufgenommen wird.
Der Name des Kindes sollte mit Sorgfalt gewählt werden, denn er begleitet das Kind nach Möglichkeit sein ganzes Leben lang. Es ist nicht bekannt, wann Menschen damit begonnen haben Namen zu verwenden. Sicher ist nur, daß diese Praxis schon sehr, sehr alt ist. Einen Namen kann man aus verschieden Gründen wählen, zum Einen weil man einen bestimmten Vorfahren im Kind wiedererkennt, bestimmte Eigenschaften hervorheben möchte oder es unter den Schutz einer Gottheit stellen möchte. Viele Namen geben Informationen über unsere Wurzeln oder Herkunft weiter und wurden meistens vererbt. In einigen Kulturen werden Vornamen so vergeben, dass daran die Geburtsreihenfolge von Geschwistern sichtbar wird.
Dieser Tag hat viele verschiedene Namen, die einen nennen es Wasserweihe, Kindweihe oder Namenstag. Auch die Taufe ist im Grunde genommen nichts anderes und ein von den Christen übernommenes Ritual. Die Kindweihe fand im Normalfall kurz nach der Geburt statt. Es war eine feierliche Aufnahme des Kindes in die Familie, Sippe und Gemeinschaft, bei dem die ganzen Verwandten und Freunde eingeladen wurden.
Waren alle Familienmitglieder versammelt, hat der Vater sein Kind in die Arme genommen oder auf seinen Schoß gesetzt und hat allen verkündet, daß dies sein Kind ist und den Namen des Kindes genannt. Dann hat er das Kind an die Mutter weitergereicht, die ihre Wünsche für das Kind geäußert hat. Danach waren die Verwandten und Freunde an der Reihe und haben nacheinander das Kind begutachtet und ihre Wünsche ausgedrückt.
Dies ist die einfachste Möglichkeit seinem Kind die Anerkennung, seinen Namen und die guten Wünsche mit auf den Weg zu geben. Es gibt noch viele andere Varianten sein Kind zu weihen, ich z.B. habe meinen Sohn einen Baum zur Seite gestellt und andere weihen ihre Kinder mit Wasser.

Schulanfang

Diesem neuen Lebensabschnitt wird meist (leider) keine große Bedeutung zugeschrieben. Historisch gesehen war es für die Kinder auch nicht unbedingt der Beginn einer besseren Zeit. Mit etwa sieben Jahren mußten sie anfangen zu arbeiten, im Haushalt Pflichten übernehmen oder das Elternhaus ganz verlassen. In den Tag hineinleben und den ganzen Tag spielen war einmal. Daher kommt wohl auch der Spruch: „Jetzt beginnt der Ernst des Lebens.“
Heute ist es nicht gänzlich anders, mit dem Schulbeginn ändert sich das Leben der Kinder massiv. Ein Schultag ist für sie wie ein Arbeitstag. Allerdings beginnt der Ernst des Lebens heute später, die Kinder haben ihre Kindheit noch ein wenig länger, sie müssen mit sieben noch nicht hart arbeiten.
Aber warum mit sieben? Die ersten Jahre sind Kinder auf ihre Eltern fixiert, sie sind ihre Vorbilder schlechthin. Wenn es einem Kleinkind schlecht geht, geht es zuerst zu seinen Eltern. Will es etwas wissen oder braucht es etwas, geht es wieder zu den Eltern. Das ändert sich ca. ab dem fünften Lebensjahr. Sie gehen mehr nach außen und suchen sich auch mal woanders Rat. Sie werden selbstständiger und können immer mehr Dinge von allein. Mit sieben sind sie soweit, einen Weg zu gehen, der sich nicht nach den Eltern richtet, sie gehen in die Schule und gehen dort ihren Weg.
Eine Sitte aus der vergangenen Zeit finde ich für die heutige Zeit (natürlich in Abstrichen)übernehmbar. Wenn es der Familie möglich war, haben sie ihre Kinder zu diesem Zeitpunkt in eine andere Familie gegeben und im Austausch deren Kinder ins Haus genommen. So wurden aber auch Erfahrungen und Gebräuche ausgetauscht und die Familien enger verknüpft. Diese Lehrzeit war mit Beginn der Pubertät beendet und die Kinder gingen ins Elternhaus zurück, heirateten oder begannen eine neue Lehrzeit. Dies gilt hauptsächlich für Jungen, die Mädchen blieben oft im Elternhaus und verließen es erst mit ihrer Hochzeit.
Heute möchte natürlich keiner sein Kind ganz aus der Familie geben und dafür ein fremdes Kind aufnehmen. Doch was wir machen können, ist die Lehrzeit bei einem Mentor, Paten oder wie immer man es nennen möchte. Viele sehen die Schule als die Lehrzeit, doch bin ich der Meinung, sie kann unseren Kindern nicht alles lehren, was sie für ihr Leben brauchen. Und das die eigenen Eltern sich als Lehrer nicht so gut eignen, wissen wir alle. Manche Eltern suchen den Ausgleich in Pfadfindergruppen, Vereinen und Ähnlichem. Doch man kann auch einen Freund der Familie bitten diese Lehrzeit zu übernehmen.
Das Schulanfangsfest ist ein Fest, das schon so normal geworden ist, daß es kaum einer als Übergangsfest feiert. Leider werden die Kind nur mit Süßigkeiten und riesengroßen Geschenke, die nichts mit ihrem neuen Lebensabschnitt zu tun haben, überhäuft. Wenn wir uns an der Vergangenheit orientieren wollen, so können wir den Kindern ein Fest mit Verwandten und Freunden bieten, daß sie wunderbar auf ihren neuen Weg vorbereitet. Dem Kind kann z.B. ein Pate zur Seite gestellt werden, der es begleitet bis zur nächsten Reife. Dem Kind können Gaben gebracht werden, die ihm zeigen, nun bin ich groß und kann neue Aufgaben übernehmen. (z.B. ein Kindertaschenmesser oder eine Uhr). Die Wünsche vom Namensfest können erneuert und wiederholt werden. Das Schulkind kann auch Dinge abgeben, das es an seine Kleinkindzeit erinnert und nun nicht mehr braucht.
Es ist das erste Lebenszyklus-Ritual, was ein Kind bewußt feiert und sollte schon deshalb begangen werden.

Erwachsenwerden

Aus den kleinen Kindern sind nun junge Erwachsene geworden und die befürchtete Pubertät setzt ein. Bei jedem Jugendlichen findet dies zu einem anderen Zeitpunkt statt und bei den Mädchen oft eher, als bei den Jungen. Bei den Mädchen feiert man die Reife mit der ersten Blutung, bei Jungs mit dem ersten Bartwuchs oder dem Beginn des Stimmbruches. Der Jugendliche wurde durch die Initiation in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen, was zum einen durch die Lösung von den Eltern gekennzeichnet ist und zum anderen duch die Übernahme von mehr Verantwortung. Das heißt sie haben zwar mehr Freiheiten, aber auch die Bürde sich um ihr Leben zu kümmern. Schulabschluß, Berufswahl, Eigenständigkeit – all dies liegt nicht mehr in all zu weiter Ferne.
Schauen wir wieder zuerst in die Vergangenheit. Mit dem Erreichen der Geschlechtsreife gab es wieder einen massiven Umbruch im Leben der jungen Erwachsene. Die einen wurden verheiratet, die anderen gingen in den Sold und andere gingen auf Wanderschaft. Sie verließen das Elternhaus und standen unter der Obhut Anderer, mögen es die Schwiegereltern sein oder ein neuer Herr. Blieben sie in ihrer Familie, übernahmen sie neue Aufgaben, gingen bei ihren Vätern in Lehre oder suchten einen eigenen Verdienst, um die Familie zu unterstützen.
Heute wird den Jugendlichen nicht so viel Verantwortung übertragen, was mitunter zur typischen pubertären Orientierungslosigkeit führen kann. Ich meine damit, daß sie anfangen groben Unfug anzustellen, weil sie nach neuen Aufgaben suchen und nicht finden können. Übertragen wir unseren Kindern also die entsprechende Verantwortung und eigene Aufgaben und binden sie mit ins Familienleben ein. Doch vor allen sollte wir sie wie Erwachsene behandeln.
Es gibt wie immer verschiedene Möglichkeiten, das Übergangsfest zu feiern. Die eine ist es den jungen Erwachsenen zusammen mit der ganzen Familie in den Kreis der Erwachsenen aufzunehem, ähnlich der heutigen Jugendweihe oder dem damaligen Muntfest. Eine andere Variante ist es, den Jungen und Mädchen ein geschlechtsspezifisches Ritual auszurichten. Die Initiation getrennt vom anderen Geschlecht hat den Vorteil, das sich der jungen Mann bzw. das junge Mädchen wohler fühlen. Bei den Ritualen war es meist üblich zu prüfen in wie weit das Kind bereit und reif war für die Erwachsenenwelt. Es wurde einen oder mehrere Tage und Nächte in die „Wildnis“ geschickt, um allein zurecht zu kommen. Dabei konnte es die gelernten Dinge aus den Kindertagen in die Realität um setzen. Bei seiner Heimkehr wurde es von der ganzen Familie willkommen geheißen.
Bei diesen Ritual ging es um das Hineinwachsen in das eigene Leben, die eigene Verantwortung und den eigenen Lebensentwurf zu finden. Aber nicht nur die Eigenständigkeit der Jugendlichen wurde geprüft, sondern auch das Loslassen der Eltern und Paten. Sie mußten die Kontrolle abgeben und ihren Kindern das Recht einzugestehen selber verantwortlich zu sein.

Erwachsensein/Hochzeit

Mit dem Eintritt der Volljährigkeit gehen wir wieder in einen neuen Lebensabschnitt über, das um das zwanzigste Lebensjahr begangen wird. Es ist die Zeit in der die jungen Erwachsenen das Elternhaus verlassen, sei es durch eine Heirat oder einfachen Auszug.
Bei unseren Vorfahren war es die Hochzeit die diesen Lebensabschnitt besiegelt. Es ist zu erwähnen, das die Mädchen oft eher heirateten, als die Jungen. Die Heirat war ein wichtiges Ereignis in einer Gemeinschaft, bei der zwei Familien verbunden wurden. So kam es vor(nicht immer), das Ehen von den Eltern gewählt wurden um die Verbindung zwischen zwei Sippen zu knüpfen oder zu festigen. Eine arrangierte Ehe mußte aber nicht eingegangen werden, wenn einer nicht einverstanden war.
Der große Unterschied zur christlichen Vermählung ist die Gleichberechtigung zwischen den Ehepartnern. Sie wurden miteinander vermählt, sie gingen eine Verbindung ein: den Bund der Ehe. Diesen Bund konnte die Frau oder der Mann gleichermaßen aufheben, wenn einer der Partner die Regeln einer Ehe verletzte oder seine Plichten nicht einhalten konnte oder wollten. Die Ehe hatte hauptsächlich zur Aufgabe den Fortbestand der Familien zu sichern und die beiden Familien gegen Feinde zu schützen. Doch bei all der nüchternen Betrachtung wurde die Ehe schon immer als heilig gesehen, weil zwei Schicksale verbunden wurden.
Heute sieht das ganze schon ein wenig anders aus. Ehen werden meißt aus Liebe geschlossen und weniger aus Vernunftsgründen. Das Zusammmenwachsen der zwei Familien gestaltet sich als schwierig und das Zeugen von Nachwuchs steht nicht mehr an erster Stelle. Doch sehe ich bei einigen Freunden, das sich das langsam wieder ändert.
Der eher größere Unterschied zur Vergangenheit ist, das immer später oder gar nicht geheiratet wird. Junge Erwachsene wohnen länger im Elternhaus und lassen sich unterhalten, sie stehen noch nicht auf eigenen Füssen, egal ob finanziell oder mental. Als Eltern können wir mit einem kleinen Fest oder Ritual unserer Kinder aus der elterlichen Obhut entlassen und ihnen zeigen, das sie von nun an auf ihren eigenen Füssen zu stehen haben. Das muß nicht heißen, das sie ausziehen müssen, das soll nur heißen, das man ihnen zeigen kann das sie keine Kinder mehr sind, die von den Eltern abhängig sind. Die Eltern können dieses Ritual auch für sich nutzen, wenn sie Schwierigkeiten haben ihre Kinder loszulassen.
Die jungen Erwachsenen sind und waren zu diesen Zeitpunkt in ihrem Leben alt genug eigene Verantwortung für sich zu übernehmen, sind alt genug ohne Eltern klar zu kommen. Ich möchte aber ganz ausdrücklich darauf hinweisen, das die Familie nicht auseinander gehen soll, sondern das dies die Zeit ist, die Familie zu vergrößern.
Kommen wir noch mal zum Heiraten. Damals wie heute wurde nicht einfach geheiratet, Brautschau, Werbung und Verlobung gingen dem Ereignis vorraus. Bei der Brautschau wurde in der Vergangenheit die Familie mehr mit einbezogen, was ganz klar ist, wenn die Eltern den Partner wählen und wenn man die enge Beziehung innerhalb der Familien beachtet. Heute sucht man sich den Partner selber, allein oder man wird gefunden. Die Werbung um den zukünftigen Partner hat sich kaum verändert. Noch immer ist es üblich das der Mann zu seiner erwählten Braut geht und einen Antrag macht und es ist auch noch üblich, das der Vater der Braut um das Einverständnis gefragt wird (Zumindest würde ihn das sehr schmeicheln). Heute ist die Werbezeit wohl ein wenig länger, wenn man die ganze Zeit des Kennenlernens, Verliebtsein und erste Krisen überstanden hat. Eine positive Antwort hatte die Verlobung zur Folge. Die Verlobung wurde im Beisein von Zeugen gesiegelt, was meißt die Eltern der Verlobten waren. Es wurden Geschenke ausgetauscht und über die Mitgift verhandelt. Das Tauschen von Ringen ist ein alter Brauch und bis in unsere heutige Zeit erhalten geblieben. Damals wurden aber meißt Geschenke an die Eltern gemacht, um im Austausch die Tochter zu erhalten, da die Mädchen ja in den Haushalt ihres Mannes gingen. Die Hochzeit sollte innerhalb eines Jahres und einen Tag stattfinden.
Über die Hochzeit selber werde ich nicht ausführlich schreiben, denn ich haben von so viel verschiedenen Feiern und Ritualen gehört und gelesen, das ich sie hier nicht alle wiedergeben möchte. Sie haben im Kern aber alle gemeinsam, daß das Brautpaar einen Treueeid spricht, die Götter um Beistand und Segen gebeten werde und böse Geister ferngehalten werden. Danach feiern beide Familien bis zum Umfallen. Daran hat sich von damals zu heute nichts geändert.

Elternschaft

Mit dem Gründen einer neuen Familie stand das Zeugen von Nachwuchs und deren Aufziehen und Erziehen im Mittelpunkt der jungen Erwachsenen. Sie mußten sich nun um andere kümmern, andere beschützen und nat. auch ernähren. Darin wird die Hauptaufgabe für die nächsten Jahre bestehen. Um auch hier einen Zusammenhang zwischen damals und heute zu finden, möchte ich sagen, das sich nicht viel verändert hat. Die meißten Menschen haben mit ungefähr fünfundzwanzig Kinder und einen Partner, damals und heute. Allerdings war die Anzahl der Kinder eine andere, die Aufgabe war die gleiche. In der Elternzeit machen wir alle bisherigen Zyklen noch einmal mit unserern Kindern durch und sie endet erst mit deren Auszug.
Es ist eine Zeit in der wir hauptsächlich für andere da zu sein haben, es ist schwierig sein „Ich“ zu bewahren und es ist nun die Frage warum diese Zeit mit einem Ritual begehen? In den damaligen Zeiten wird dazu keine Zeit und kein Bedürfnis gewesen sein. Es ist auch zu bedenken, das die Lebenserwartung nicht sehr hoch war. Ich habe verschiedene Angaben gefunden die von 33 bis 47 Jahre reichen. Somit hatten sie auch nicht die Probleme wie wir heute, wie z.B. die Wechseljahre. So wohl auch der Spruch: „Mit dreißig bist du alt“.
Heute ist man mit um den Dreißigsten Geburtstag auf dem Höhepunkt in seinem Leben, viele fangen nochmal neu an. Die einen lernen einen neuen Beruf, fangen ein Studium an, die anderen entscheiden sich für eine Änderung in der Familie, je nach dem ob dem Beruf oder der Familie bisher der Vorrang gegeben wurde. Doch egal welche Umstände sich ändern, auf jeden Fall bemerkt man eine Veränderung in seinem Inneren; man befindet sich im Umbruch. Es ist ein Lebensabschnitt den die Männer und Frauen unterschiedlich erleben. Wo die Frauen glauben sie sind zu alt für Kinder, denken die Männer sie sind zu jung. Die biologischen Uhren schlagen wohl anders. Wo ich persönlich doch denke, beide haben das beste Alter. Gut, manches geht nicht mehr so wie mit zwanzig, aber wenn man Glück hat, hat man noch das halbe Leben vor sich. Warum also nicht mit einem Ritual sich diesen Lebensabschnitt bewußt zu machen. Aber wie?
Den dreißigsten bewußt zu feiern ist eine Art, eine neue Lebensorientierung die andere Möglichkeit. Es aber auch möglich, nachzuholen was man vorher noch nicht gemacht hat, aber immer mal machen wollte. Das können ganz unterschiedliche Wünsche sein. Zum Beispiel könnte man ein Reiferitual nachholen und für ein paar Tage im Wald oder in den Bergen bleiben.

Selbstfindung und Selbstverwirklichung

Für diese Phase im Leben kann ich genau wie für den vergangenen Lebensabschnitt keine Verbindung zur Vergangenheit schaffen. Trotzdem möchte ich versuchen einen Weg zu finden, wie man für sich persönlich diese Zeit charakterisieren kann.
Wann dieser Lebensabschnitt für einen persönlich eintritt muß jeder für sich herausfinden. Wenn ich von dem Zyklus ausgehe den ich hier im Idealfall schildere, dann ist man im Augenblick um die vierzig.
Mit Selbstfindung meine ich, seiner selbst mehr bewußt bzw. vielleicht auch wieder bewußt zu werden.
Nach der intensiven Elternzeit, mit neuer Familie und kleinen Kindern kommt nun die Zeit der Gewohnheit. Im Familien- und Berufleben geht alles seinen geregelten Gang. Die Kinder sind in einem Alter, in dem sie nicht mehr unserer ständige Anleitung und Begleitung brauchen. Man verfügt über die Erfahrung, die Emotionen und die Objektivität, die es uns ermöglichen, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Ein Rat und unsere Meinungen haben große Auswirkungen auf den Entscheidungsprozeß in der Gemeinschaft und Familie.
Es ist wichtig sich seinen Platz bewußt zu sein, wir dürfen vor lauter Familie und Arbeit nicht im Hintergrund verschwinden. Die schwierige Frage ist nun wieder, welches Ritual kann ich für diese Zeit machen? Vielleicht ist die Zeit für die Selbsverwirklichung gekommen, die Realisierung unserer eigenen Talente. Ich möchte an dieser Stelle mal kein einstimmendes Ritual für diesen Lebensabschnitt vorschlagen. Um eigene Ideen und Talente umsetzen zu können, kann man zum Beispiel einen Kurs anfangen oder ein neues Hobby beginnen. Vielleicht hat man eine frühere Beschäftigung oder gar ein Ziel aus den Augen verloren. Mit unserer jetzigen Lebenserfahrung kann man dieses ja wieder aufgreifen und verwirklichen. Wir sollten uns hinsetzen und in Ruhe überlegen was wir uns mit zwanzig vom Leben vorgestellt haben und dies mit unserer jetzigen Situation vergleichen. Was habe ich erreicht und was nicht und was kann ich noch erreichen. Wenn man dieses Ziel noch immer erreichen möchten, dann sollte man jetzt damit anfangen.

Wechseljahre

Wir sind im letzten Drittel in diesen Leben angekommen.
Die Wechseljahre sind keine Krankheit, sondern eine natürliche Phase im Leben. Meistens greifen in dieser Zeit körperliche, psychische und soziale Veränderungen ineinander. Die Kinder verlassen das Haus, die eigenen Eltern werden hilfsbedürftig, der Partner befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn oder er wird arbeitslos, geht in Rente und muss mitversorgt werden. Für Frauen treten die Wechseljahre eher ins Leben als für die Männer und sie spüren die Veränderungen oft auch stärker und ganz anders.
Wir gehen als reife Menschen in diese Phase des Lebens, die man irgendwie mit der Pupärtät vergleichen kann. Der Hormonhaushalt wird wie damals durcheinander gebracht, nur das man diesmal in die andere Richtung geht. Mit vierzehn begrüßt wir die Zeit Kinder zeugen und bekommen zu können und die wachsenden Kräfte in uns. In den Wechseljahren verabschieden wir uns davon.
Viele Leser werden nun sagen, das Männer keine Wechseljahre haben. Es ist richtig, das die hormonelle Veränderung bei den Frauen viel stärker erlebt wird, sie verlieren die Möglichkeit Kinder zu empfangen. Männer hingegen können bis ins hohe Alter Kinder zeugen und doch sinkt der Hormonspiegel enorm und die Veränderungen sind ähnlich wie bei Frauen. Dieser neue Lebensabschnitt ist aber nicht nur von sinkenden Hormonen geprägt, sondern auch von persönlichen Erfahrungen und Veränderungen.
Jetzt ist es an der Zeit, die bisherigen Lebenserfahrungen anzuwenden. Was möchte man, was verschafft ein Wohlgefühl? Wir sollten jetzt mehr an sich selbst denken und sich etwas Gutes tun. Von entscheidender Bedeutung ist die eigene Einstellung. Die Loslösung der Kinder vom Elternhaus ist kein Verlust sondern die Chance endlich das zu tun, wofür man bisher keine Zeit hatte.
Da ich diese Zeit mit der Pupärtät verglichen habe, kann man diese Zeit mit einen Ritual einleiten, das dem der Reiferituale ähnlich sind. So wie man damals das Geschenk der Fruchtbarkeit und der Jungendlichkeit angenommen hat, so kann man nun dieses Geschenk zurückgeben und das der Weisheit annehmen.
In der Vergangenheit hatten die Menschen die ein hohes Alter erreicht haben, auch ein hohes Ansehen in der Gemeinschaft. Die jungen hatten vor ihren Erfahrungen und Wissen enormen Respekt.
Geht also nochmal raus in die Natur und kommt als weise Frauen und Männer in die Gemeinschaft eurer Familie zurück.

Alter

Bis zu dieser Phase lief unser Leben in einem Tempo ab, das wir weitestgehend selber bestimmen konnten. Nun kommen wir in ein Alter, in dem wir nicht mehr so schnell vorwärts kommen, wie wir es vielleicht gern hätten. Wir können auf unser Leben zurückschauen, ohne uns Gedanken machen zu müssen was noch kommt. Wir sollten uns zurücklehnen, die Beine hochlegen und alles in Ruhe betrachten.
Im Alter finde ich den Zusammenhalt der Familie und Gemeinschaft mit am Wichtigsten. Vielleicht ist man schon allein, weil der Partner nicht mehr lebt. Hier ist die Familie wichtig, denn auch im Alter kann man seinen Teil beitragen. Das Alter ist der Lebensabschnitt mit der hohen Weißheit und des Verstehens (zumindest bei den meißten). Wir können unseren Kindern und Enkeln wertvolle Ratgeber und Lehrer sein. In der Vergangenheit hatte man den älteren Menschen einen enormen Respekt gezollt und wir sollten uns das heute wieder ins Gedächtnis rufen.
Nur zu oft fordert die ältere Generation dieses Verhalten von den Jüngeren einfach ein. Es war allerdings so, das die älteren Familienmitglieder durch ihr Verhalten, ihr Wissen und ihren Erfahrungen diese Ehrung von den Jüngeren verdienten.
Wenn die Wechseljahre vorbei sind und sich unser Körper auf das Leben in der Zeit danach eingestellt hat, dann können wir unser letztes Lebensritual mit unserer Familie feiern, ein Ritual zu Ehren des hohen Alters.

Tod

Egal wie lange wir dieses Leben leben durften, der Tod ist unausweichlich und für unser jetziges Leben die letzte Station. Es ist wie die Geburt ein Lebensabschnittsfest, das wir nicht selber feiern und auch nicht von uns ausgerichtet werden kann. (Obwohl ich in der Verwandschaft jemand hatte, der seine eigene Beerdigung vollständig organisierte, als er erfuhr, das er sterben mußte.) Der Tod ist nicht das Ende, sondern die Zeit der Ruhe und des Friedens, der Anfang von einem neuen Leben.
Im Alltag spielt der Tod keine Rolle, wir leben ohne dass wir daran denken auch einmal zu sterben. Der Tod ist jedoch jeden Augenblick präsent.
In alten Zeiten wurden die Toten begraben oder verbrannt. Ihm wurden Gaben ins Grab gelegt, von denen man überzeugt war, das sie der Verstorbene auf den Weg in die andere Welt gebrauchen könnte. Der Körper wurde der Erde, der Natur zurück gegeben, die Gaben sind für die Seele. Die Beerdigung diente zum Verabschieden und zum Ehren des Verstorbenen und zum Loslassen der Hinterbliebenen. Wurde der Tod festgestellt, waren eine Reihe verschiedener Abläufe üblich. So wurden die Fenster geöffnet, damit die Seele aus dem Raum entweichen kann, oder alles Wasser aus Töpfen und Kannen entfernt, damit sich die Seele nicht darin verfangen kann. Augen und Mund werden geschlossen, damit der Tote in Ruhe seinen Weg gehen kann. Die Totenwache wurde gehalten, damit kein fremder Geist vom Körper Besitz ergreifen kann und im Totengesang wurde der Verstorbene gelobt und geehrt. Die Aufbahrung, die meist drei Tage dauerte, diente dazu, das sich jeder verabschieden und dem Toten seine Aufwartung machen konnte. Danach wurde der Tote in seine besten Kleider gewandet und verbrannt bzw. begraben. Nach der Beerdigung fand das Totenmahl statt, bei der ein Stuhl zu Ehren des Verstorbenen frei bleiben mußte. Man sagt, das diese letzte Reise bis zu einem Jahr dauern kann, deshalb ging die Trauerzeit über ein Jahr und einen Tag.
Heute ist es schwierig dem Verstorbenen solch eine Bestattung zu ermöglichen. Noch zu Lebzeiten ist es wichtig sich mit möglichen Alternativen auseinanderzusetzen und dies auch der Familie zu erzählen oder es in einem Testament nieder zu schreiben. Übrig geblieben aus vergangenen Zeiten ist das Mahl nach der Beerdigung. Eine dreitägige Aufbahrung ist aber heute nicht mehr möglich, es wird einem nur eine kurze Zeit des Abschieds gewährt. Eine gute Alternative zu Friedhöfen sind die Friedwälder, die wieder mehr an Bedeutung gewinnen.

Scheidung/Trennung

Wenn zwei Menschen nicht mehr zusammen leben können und wollen, aus welchen Grund auch immer, dann ist eine Trennung unausweichlich und manchmal auch das Beste. Auch in vergangenen Zeiten war es möglich eine Ehe zu trennen und zwar sowohl vom Mann, als auch von der Frau aus. Bei unseren Vorfahren war der Ehebruch der meiste Scheidungsgrund. Dem Fremdgehen der Frau wurde allerdings mehr Gewicht gegeben, da ihr Verhalten größere Auswirkungen auf den Bestand der Sippe haben konnte, wenn sie z.B. das Kind eines Fremden ins Haus brachte. Eine Ehe konnte im Beisein von zwei Zeugen und dem Dorfältesten getrennt werden, wenn ein Grund vorlag.
Wurde einem Ehepartner Untreue nachgewiesen, so hatte man(n) das Recht, seinem Partner die Haare abzuschneiden oder ihn nackt durch`s Dorf zu jagen.
Auch heute ist es so, das eine Ehe im Beisein von Zeugen getrennt werden kann, wenn gute Gründe vorgelegt werden. Ob nun ganz offiziell, mit Brief und Siegel vom Staat, oder innerhalb der eigenen Sippe. Manche heiraten „nur“ heidnisch und nicht standesamtlich. Ich bin der Meinung, daß auch diese Eheleute nicht einfach auseinander gehen sollten, wenn es nicht mehr funktioniert. Sie sollten diese Ehe ebenfalls vor der Sippe/Familie trennen.
Eine Scheidung ist eine Art von Trennungsritual in dem beide Abschied voneinander nehmen und die offenen Fragen beantworten können. Vielleicht findet man dadurch aber auch wieder zusammen.

Aniko