Die Knochenkirche von Kutná Hora

Die Knochenkirche von Kutná Hora

Ausflug nach Tschechland

Jedes Jahr lass ich mir einen Überraschungs-Ausflug schenken, wo ich nicht weiß, wohin’s geht. Dies Jahr sollte er sogar über 2 Tage mit Übernachtung werden! Ich hab‘ mich schon Wochen vorher gefreut. Schönstes Frühlingswetter und dann ein Wochenendausflug! Dann begann es einige Tage vorher zu regnen… das stimmte mich schon etwas verdrieslich, aber Thomas meinte „Das macht nichts“. Nun ich war gespannt.
Samstag nach dem Laden ging es los. Ein schneller Blick auf die vielen ausgedruckten Zettel und ich wußte schon mal, daß es in die Tschechei gehen sollte. Aber wohin, daß wir es nicht bis zum Abend schaffen würden? Ich hatte keine Ahnung.

Wundes Land

Das Wetter wurde trüber und genau so trübe wie das Wetter war auch die tschechische Landschaft durch die wir fuhren. Es ist schon eigenartig. Auf der deutschen Seite fährt man durch hohe dunkle Tannenwälder und kaum fährt man in Reitzenhain über die Grenze hat man ein kurzes Stück Hochmoor und dann gibt es ewig keinen Wald mehr. Bäume gibt es schon, aber irgendwie ähneln sie mehr verkrüppelten Sträuchern. Überall liegt Müll in der Landschaft, die Häuser verfallen und die Dörfer sehen aus als wäre der Krieg gerade erst vorbei. Thomas meint das läge daran, daß hier die Braunkohle-Entschwefelungsanlagen waren, die die ganzen Bäume kaputt gemacht haben. Und die Menschen & Häuser scheinbar auch. Meine Stimmung hob das nicht gerade. Auch das die Straßenführung ein Grauen war und wir uns ständig verfuhren. In Prag sind wir über 2 Stunden ziellos umhergeirrt bis wir uns einen Stadtplan gekauft haben. Von Straßenschildern und Straßennamen haben die dort scheinbar noch nie was gehört. Überall nur Zwangspfeile, damit man nicht dort abbiegen kann, wohin man muß. Inzwischen war ich auf 180 und wollte eigentlich nur noch nach Hause. Ich wußte ja auch immer noch nicht wohin es überhaupt geht. Immer noch 1 Stunde Fahrt bis nach Kolin, wo Thomas eine Übernachtung suchen wollte. Inzwischen war es 20 Uhr. Nach ewigem Rumsuchen und Durchfragen fanden wir eine Pension, die aber nach langem Klingeln nicht gewillt war, die Tür zu öffnen. Mir war inzwischen alles egal. Doch dann fanden wir das 3-Sterne-Hotel Theresia: 76 Euro das Doppelzimmer mit Frühstück. Herrlich! Es gab sogar einen kleinen Fernseher mit deutschen Programmen. Gegessen hatten wir den Tag auch noch nicht wirklich etwas. Also wieder runter und nach einer Kneipe gefragt. Die schickten uns gegenüber vom Hotel ins Pub „Tatra“. Wir waren sichtlich irritiert als wir davor standen. Es sah aus wie’ne alte Zonen-Kantine. Ein hell erleuchteter völlig steriler Raum mit rosa! Wänden. Zwar ziemlich voll, aber neee… unter einer Kneipe verstehen wir schon was anderes. Also sind wir ins Stadtzentrum auf den Markt gelaufen. Auf dem Markt steht ein schöner Springbrunnen samt dem üblichen Heiligen-Denkmal. Alles ordentlich nobel aufpoliert und richtig modern. Überall kleine Läden und schräg über’m Markt fanden wir auch das ersehnte Kneipen-Café wegen unsres Hungers gingen wir dann aber doch in die Pizzeria nebenan. Wirklich schick dort. Da gibt’s nicht die Wahl zwischen verschiedenen Pizzengrößen, da gibt’s aus Prinzip nur die Größte und die wird live vor Ort in einem riesigen Ofen gemacht, der mitten im Raum steht. Und Cappucino können die machen! Und der Caipirinha war auch lecker mit frischer Zitronenmelisse garniert. Und der Kellner kann deutsch. Und der Pizzeria-Chef ging zu jedem Gast an den Tisch und unterhielt sich mit ihm, wie in so einem alten Mafiosistreifen. Hätten wir Lust gehabt, hätten wir dort noch in die Disco gehen können. Scheinbar traf sich der halbe Ort in den beiden Kneipen bevor’s in die Disco am anderen Ende des Marktes geht. Überall gab’s aufgetakelte Hippen zu sehn, die überall glitzerten. Was uns aber wirklich davon abhielt, waren die dazugehörigen Kerle. Hey, die gehen dort wirklich im Anzug und Schlips in die Disco! Das ist wirklich eine völlig andere Welt dort. Im Regen gingen wir wieder zurück ins Hotel. Schön. Ich war wieder ausgesöhnt. Und wußte immer noch nicht wo’s hingeht.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück fuhren wir wieder weiter nach Kutná Hora, zu deutsch Kuttenberg. Nach längerem Herumirren hielt Thomas an zwei Kirchen – ich war entsetzt! Den ganzen Ärger auf der Fahrt, um in eine Kirche zu gehen? Nicht mit mir! Thomas fragte zum Glück nochmal einen alten Opa, der des Weges kam. Mit Händen und seinem Krückstock machte er uns klar, daß wir falsch waren und wieder zurück müssen. Zum Glück. Dafür, daß der Opa uns nur auf tschechisch und eindeutigen Gesten den Weg erklärt hatte, fanden wir den Weg beeindruckend schnell und einfach. Und wieder standen wir vor einer Kirche. Doch dann sah ich die Totenschädel am Eingang und wußte wo wir waren:

Die Knochenkirche von Kutná Hora

Das heutige Beinhaus ist eine alte katholische Kapelle des Zisterzienser-Ordens, die im 13.Jh. zum dazugehörigen Friedhof erbaut wurde. Zur selben Zeit schickte König Ottokar ll. Premysl den Abt des Klosters nach Jerusalem, der von dort eine Handvoll Erde von Golgata, der Hinrichtungsstätte von Jesus Christus, mitbrachte und auf dem Friedhof von Sedlec/Kutná Hora verstreute. Damit bekam der Friedhof den Ruf der heiligen Erde und wurde zum Wallfahrtsort auf dem sich selbst Menschen aus Polen, Bayern und Belgien beerdigen ließen. Dann kam die Pest und allein im Jahr 1318 wurden 30 000 Menschen hier begraben. Ende des 14.Jh. war Kutná Hora die größte Stadt nach Prag, hier residierten die böhmischen Könige und hatten hier ihre Münzstätte. Viele große Schlachten der Hussitenkriege fanden hier statt. 1421 brandschatzten die Hussiten das Zisterzienser-Kloster und massakrierten 500 Mönche. In dieser Zeit hatte der Friedhof eine Größe von 3,5 ha.
Nach den Hussitenkriegen wurde der Friedhof schrittweise wieder verkleinert. Die dabei ausgegrabenen Gebeine lagerte man um die Kapelle. 1511 stapelte die Gebeine von ca. 40 000 Menschen ein halbblinder Mönch in der Kapelle zu 6 Knochenpyramiden auf.
1784 wurde das Kloster durch Kaiser Josef ll. aufgelöst. 1866 kaufte das Fürstengeschlecht zu Schwarzenberg aus Orlík das Anwesen und beauftragte den Holzschnitzer Frantisek Rint damit, das Kapelleninnere auszugestalten. Rint desinfizierte und präparierte alle Gebeine, so daß sie heute noch alle erhalten sind. Von den Pyramiden trug er 2 ab und verwendete die Knochen, um damit seine bizarren Kunstwerke zu bauen. Was übrig blieb, beerdigte er würdevoll auf dem Friedhof. In der Mitte der Kapelle hängt ein Kronleuchter, in dem alle 206 Knochen des menschlichen Körpers verarbeitet sind. Darunter ist der Eingang zur Gruft. In den Nischen des Hauptaltars findet man die Monstranzen in dessen Schädel in der Mitte die Hostien aufbewahrt werden, umringt von Sonnenstrahlen aus Oberschenkel- & Kreuzbeinknochen. Im linken Teil der Kapelle findet man an der Wand das Wappen der Schwarzenbergs. Ebenfalls komplett aus Knochen nachgebildet. In beleuchteten Glasvitrinen sind Schädel aus den Hussitenkriegen ausgestellt an denen man die Brutalität mittelalterlicher Waffen gut erkennen kann. Von den Knochenpyramiden sind 4 Stück in Form von Glocken in Holzgestellen noch erhalten. Überall von den Wänden und der Decke hängen Schmuckelemente aus Knochen. An der Wand neben dem Eingang hat sich der Künstler selbst verewigt.
Der umgebende Friedhof ist voller alter Gräber mit schönen extravaganten Grabsteinen. Auch ein russischer Soldat wurde hier nach dem Krieg begraben, der anstelle eines Kreuzes den sowjetischen Stern und das Lenkrad seines Fliegers oder Wagens als Grabstein hat. Außerhalb der Kapelle sind einige Souvenirläden und auch ein Hotel.
Sonst gab’s in der Gegend leider nicht viel zu sehen und wir sind recht zügig wieder nach Hause gefahren. Kein Vergleich mit unserer Odysee bei der Hinfahrt. Rückzu noch lecker Schweinebraten mit Knödel gegessen und der übliche Besuch bei den vietnamesischen Ramschständen wegen Oblaten, Cappuccino und süßer Milch (die sind wirklich richtig aufgeschmissen, wenn man mal keine Zigaretten will) und dann waren wir wieder zu Hause.

Impressionen

 

Wenn ihr auch mal hin wollt: kostnice.cz oder
Artikel zur Knochenkirche bei Tschechien-Online.org

Öffnungszeiten sind variabel nach Jahreszeit;
im Gro aber von ca. 8.00 – ca. 18.00 Uhr.

Der Ausflug fand kurz nach 2000 statt.