Sigurdarkvida Fafnisbana thridja – Das dritte Lied von Sigurd dem Fafnirstöter

Sigurdarkvida Fafnisbana thridja
Das dritte Lied von Sigurd dem Fafnirstöter

Einst geschah’s, daß Sigurd Giuki besuchen kam,
Der junge Wölsung, des Wurms Besieger.
Mit beiden Brüdern schloß er den Bund;
Eide schwuren sich die Unverzagten.

Eine Maid bot man ihm und Menge des Schatzes,
Die junge Gudrun, Giukis Tochter.
Traulich tranken der Tage manchen
Sigurd der junge und die Söhne Giukis.

Bis sie um Brünhild zu bitten fuhren,
Da sich auch Sigurd gesellte zu ihnen,
Der junge Wölsung, den Weg zu zeigen;
Sein wäre sie, wenn es das Schicksal wollte.

Sigurd der südliche sein Schwert legt er,
Die zierliche Waffe, mitten zwischen sie.
Er küßte nicht die Königin,
Der hunnische Held hob in den Arm sie nicht;
Dem Erben Giukis gab er die junge.

An seinem Leibe lag kein Tadel,
Zu rügen war an dem Reinen nichts,
Kein Fehl zu finden noch vorzugeben.
Inmitten gingen grimme Nornen.

Einsam saß sie außen, wenn der Abend kam,
Irr vor Liebe ließ sie die Rede nicht:
„Sterben will ich oder Sigurd hegen,
Den alljungen Mann, in meinem Arm.

Die rasche Rede, nun reut sie mich wieder:
Seine Gattin ist Gudrun, da ich Gunnars bin.
Üble Nornen schufen uns langes Unheil.“

Oft ging sie, ganz von Grimm erfüllt,
Über Eis und Gletscher, wenn der Abend kam,
Daß er und Gudrun zu Bette gingen
Und Sigurd die Braut in die Decken barg,
Der hunnische König, und koste die Frau.

„Die Freud ist mir entfremdet, des Freunds entbehr ich,
Nur Graun mag mich ergötzen und grimmer Sinn.“

So mahnte sie den Mut zum Mord im Zorn:
„Ganz und gar sollst du, Gunnar, entsagen
Mir zumal und meinen Landen.
Nicht froh hinfort, werd ich, Fürst, bei dir.

Dahin will ich wieder wo ich war zuvor,
Zu meinen Freunden und nächsten Vettern.
Da will ich sitzen, verschlafen mein Leben,
So du den Sigurd nicht sterben lassest
Und vielen Fürsten furchtbar gebietest.

Fort mit dem Vater fahre der Sohn:
Unweise war es den jungen Wolf ziehn.
Welchem Manne wird die Mordbuße
Zu sanfter Sühne bei des Sohnes Leben?“

Trübe ward Gunnar und trauervoll,
Schwankendes Sinnes saß er den langen Tag:
Immer noch wußt er nicht für gewiß
Was ihm am meisten möchte geziemen,
Was ihm zu tun das Tauglichste wäre:
Er wußte, des Wölsungs würd er beraubt,
Und konnte Sigurds Verlust nicht verschmerzen.

Gleich lange bedacht er dieses wie jenes.
Das war selten geschehen vordem,
Daß der Königswürde ein Weib entsagte.
Da hieß er den Högni heischen zum Gespräch,
Denn volles Vertrauen trug er zu dem.

Gunnar:
Mir istBrünhild, Budlis Tochter,
Lieber als alle, die edelste Frau,
Das Leben lieber will ich lassen
Als der Schönen entsagen und ihren Schätzen.

Hilfst du uns, Högni, den Helden berauben?
Gut ist des Rheines Gold zu besitzen,
In Freude zu walten des vielen Gutes
Und ganz in Ruhe des Glücks zu genießen. –

Aber Högni gab ihm zur Antwort:
„Das zu vollbringen gebührt uns nicht:
Mit dem Schwert zu brechen geschworne Eide,
Geschworne Eide, besiegelte Treu!

Wir wissen auf der Welt nicht so Glückliche wohnen
So lange wir viere das Volk beherrschen
Und hier der hunnische Herrscher lebt,
Noch irgend auf Erden so edle Sippe.
Wenn ferner wir fünf noch Fürsten zeugten,
Wir stürzten die Götter von den Herrscherstühlen.

Ich weiß von wannen die Wege laufen:
Brünhild quält dich: du kannst sie nicht stillen.“

Gunnar:
Wir wollen den Guthorm gewinnen zum Morde,
Den Jüngern Bruder, der bar ist des Witzes:
Er hat nicht Anteil an Eiden und Schwüren,
Eiden und Schwüren, besiegelter Treu. –

Leicht aufzureizen war der Übermütige:
Da stand dem Sigurd der Stahl im Herzen.

Rasch hob sich der Recke zur Rache im Saal
Und warf den Ger nach dem Mordgierigen:
Nach Guthorm flog, dem Fürsten, kräftig
Das glänzende Eisen aus des Edlings Hand.

Entzweigespaltet sank sein Feind:
Haupt und Hände hinflogen weit,
Der Füße Teil fiel flach auf den Boden.

Gudrun lag, die Gute, schlafend
An Sigurds Seite sorgenlos;
Ihr Erwachen war der Wonne ledig:
Sie floß in Freyrs Freundes Blut.

Da schlug sie so stark zusammen die Hände,
Der Hartgeherzte erhob im Bette sich:
„Gräme dich, Gudrun, so grimmig nicht,
Blutjunge Braut: deine Brüder leben.

Einen Erben hab ich, allzujungen
Fern zu fliehn aus der Feinde Haus.
Die Helden haben unheimlichen, schwarzen
Neumondsrat nächtlich erdacht.

Ihnen zeltet schwerlich nun, und zeugtest du sieben,
Solch ein Schwestersohn zum Thing.
Wohl weiß ich wie es bewandt ist:
Alle des Unheils Ursach ist Brünhild.

Mich liebte die Maid vor den Männern all;
Nichts hab ich gegen Gunnarn getan.
Ich schirmte die Sippe, geschworne Eide;
Doch heiß ich der Friedel nun seiner Frau.“

Die Königin stöhnte, der König erstarb.
Sie schlug so stark zusammen die Hände,
Daß auf dem Brette die Becher erklangen,
Und hell die Gänse im Hofe kreischten.

Da lachte Brünhild, Budlis Tochter,
Aus ganzem Herzen heute noch einmal,
Denn bis an ihr Bette durchbrach den Raum
Der gellende Schrei der Giukistochter.

Anhub da Gunnar, der Habichte Fürst:
„Schlag kein Gelächter auf. Schadenfrohe,
Heiter in der Halle als brächt es dir Heil.
Wie hast du verloren die lautere Farbe,
Verderbenstifterin, die selbst wohl verdirbt!

Du wärest würdig, Weib, daß wir hier
Dir vor den Augen den Atli erschlügen,
Daß du sähst an dem Bruder blutige Wunden,
Quellende Wunden du könntest verbinden.“

Da sprach Brünhild, Budlis Tochter:
„Wer reizt dich, Gunnar? Gerochen hast du dich.
Den Atli ängstet deine Abgunst nicht:
Er wird am längsten leben von euch beiden
Und immer mehr vermögen als du.

Laß dir sagen, Gunnar, du selber zwar weißt es,
Wie rasch ihr euch, Recken, berietet zur Tat.
Alljung saß ich und ohne Sorgen
Mit herrlicher Habe im Hause des Bruders.

Nicht war mir Not, daß ein Mann mich nähme,
Als ihr Söhne Giukis uns erschient im Hof,
Auf Hengsten ihr drei Herrscher der Völker;
Wahrlich mir frommte wenig die Fahrt!

Verheißen hätt ich mich dem hehren König,
Der mit Golde saß auf Granis Rücken.
Nicht war er euch an den Augen gleich,
Nicht von Antlitz in einem Stücke,
Obwohl Volkskönige euch wähnet auch ihr.

Doch sagte Atli mir das allein,
Er gäbe die Hälfte der Habe mir nicht,
Der Macht noch des Goldes, vermählt denn war ich.
Auch würde mir nichts des erworbenen Guts,
Das schon der Vater früh mir schenkte,
Des Goldes und Gutes, das er gab dem Kind.

Da schwankte mein Sinn unentschieden zuerst,
Ob ich fechten sollte und Männer fällen
In blanker Brünne um des Bruders Unglimpf.
Das hätte das Volk erfahren mit Schrecken,
Manchem Mann hätt es den Mut beschwert.

Da ging ich gern den Vergleich mit ihm ein.
Doch hätt ich lieber den Hort genommen,
Die roten Spangen von Sigmunds Erben.
Nicht mocht ich eines andern Mannes Schätze:
Den einen liebt ich, nicht andre mehr;
Die Maid war nicht wankelmutigen Sinns.

Dies alles wird Atli dereinst befinden,
Hört er von meinem mordlichen Tod.
Denn wie soll ein edel geartetes Weib
Das Leben führen mit fremdem Manne?
Da wird mir bald gebüßt das Leid.“

Auf stand Gunnar, der Giukunge Trost,
Und schlang die Hände um den Hals der Frau.
Sie gingen alle und einzeln ein jeder
Aufrichtigen Herzens ihr abzuwehren.

Doch sich vom Halse hielt sie Gunnarn,
Ließ sich niemand verleiden den langen Gang.

Da hieß er den Högni heischen zum Gespräche:
„Es sollen zusammen in den Saal gehn die Männer,
Deine mit meinen – uns drängt die Not –
Ob sie wehren mögen dem Mord der Frau
Eh es vom Sprechen zu Schlimmerm kommt;
Mag hernach geschehen was muß und kann.“

Aber Högni gab ihm zur Antwort:
„Verleid ihr niemand den langen Gang
Und werde sie nimmer wiedergeboren!
Sie kam schon krank vor die Knie der Mutter;
Zu allem Bösen geboren ist sie uns,
Manchem Manne zu trübem Mute!“

Unwillig wandt er sich weg vom Gespräche,
Wo die schmuckreiche die Schätze verteilte.
Da standen sie alle um ihre Habe,
Bedürftige Dirnen und Dienstweiber.

Der goldgepanzerten war nicht gut zu Mut,
Da sie sich durchstach mit des Stahles Schärfe.
Mit einer Seite sank sie aufs Polster;
Die dolchdurchdrungene dacht auf Rat:

„Nun geht herzu, die Gold wollen
Und minderes Gut von mir erlangen;
Ich gebe jeder goldroten Halsschmuck,
Schleif und Schleier und schimmernd Gewand.“

Alle schwiegen sie und sannen auf Rat,
Bis endlich zur Antwort sie einstimmig gaben:
„Wie dürftig wir seien, wir wollen doch leben,
Saalweiber bleiben und tun was gebührt.“

Sinnend sprach die linnengeschmückte
Jung von Jahren jetzt das Wort:
„Nicht eine soll ungern und unbereit
Sterben müssen um meinetwillen.

Doch brennt auf euern Gebeinen dereinst
Karge Zier, kommt ihr zu sterben
Und mich heimzusuchen, nicht herrliches Gut.

Sitze nun, Gunnar, ich will dir sagen,
Ich lebensmüde, dein lichtes Gemahl.
Nicht liegt euch im Sunde das Schiff geborgen,
Ob ich das Leben verloren habe.

Schneller als du denkst versöhnt sich dir Gudrun.
Die kluge Königin hat bei dem König (Alf)
Trübe Gedanken an den toten Gemahl.

Eine Maid wird geboren aus Mutterschoße:
Heller traun als der lichte Tag,
Als der Sonnenstrahl wird Swanhild sein.

Einem Helden geben wirst du Gudrunen,
Die mit Geschossen die Krieger schädigt.
Nicht nach Wunsch wird sie vermählt:
Atli soll sie zur Ehe nehmen,
Budlis Geborner, der Bruder mein.

An manches muß ich denken wie ihr mich berietet:
Heillos habt ihr mich hintergangen.
Aller Lust war ich ledig solang ich lebte.

Oddrunen willst du zu eigen haben;
Aber Atli gibt sie zur Ehe dir nicht:
Da werdet ihr heimlich zusammenhalten.
Sie wird dich lieben, wie ich dich würde,
Hätte das Schicksal uns solches gegönnt.

Dich wird Atli übel strafen:
In die wüste Wurmhöhle wirst du gelegt.

Danach unlange ereignet es sich,
Daß Atli argen Ausgang nimmt,
Sein Glück verliert, das Leben einbüßt.
Ihn tötet die grimme Gudrun im Bette
Mit scharfem Schwert, die schwerbetrübte.

Schicklicher stiege eure Schwester Gudrun
Heut auf den Holzstoß mit dem Herrn und Gemahl,
Gäben ihr gute Geister den Rat
Oder besäße sie unsern Sinn.

Schwer sprech ich schon; doch soll Gudrun
Durch unsre Abgunst nicht untergehn.
Von hohen Wellen gehoben treibt sie
Zu jenem jähen, Jonakursstrand.

Unentschieden sind die Söhne Jonakurs;
Swanhilden sendet sie selbst aus dem Lande,
Die dem Sigurd entsproß und ihrem Schoß;
Da rauben ihr Bickis Räte das Leben,
Denn Unheil hängt über Jörmunreks Haus.
So ist Sigurds Geschlecht vernichtet,
So größer und grimmer Gudruns Leid.

Eine Bitte bitten will ich dich;
Ich laß es im Leben die letzte sein:
Eine breite Burg erbau auf dem Felde,
Daß darauf uns allen Raum sei,
Die samt Sigurden zu sterben kamen.

Die Burg umzieht mit Zelten und Schilden
Erlesnem Geleit und Leichengewand,
Und brennt mir der Hunnen Gebieter zur Seite.

Dem Hunnengebieter brennt zur Seite
Meine Knechte mit kostbaren Ketten geschmückt:
Zwei ihm zu Häupten und zwei zu den Füßen,
Dazu zwei Hunde und der Habichte zwei.
Also ist alles eben verteilt.

Bei uns blinke das beißende Schwert,
Das ringgezierte, so zwischen gelegt
Wie da wir beiden ein Bette bestiegen
Und man uns nannte mit ehlichem Namen.

So fällt dem Fürsten auf die Ferse nicht
Die Pforte des Saals, die goldgeschmückte,
Wenn auf dem Fuß ihm folgt mein Leichengefolge.
Unsere Fahrt wird nicht ärmlich sein.

Ihm folgen mit mir der Mägde fünf,
Dazu acht Knechte edeln Geschlechts,
Meine Milchbrüder mit mir erwachsen,
Die seinem Kinde Budli geschenkt.

Manches sprach ich; mehr noch sagt ich,
Gönnte zur Rede der Gott mir Raum.
Die Stimme versagt, die Wunden schwellen;
Die Wahrheit sagt ich, so gewiß ich sterbe.“

Unser Dank gilt Dungeon Keeper für den zugesanden Text.