Jul-Bericht

Jul-Bericht

Unsere Julvorbereitungen begannen diesmal schon im November mit der Suche nach dem Braten. Wir hatten beschlossen, dass es dies Jahr Federvieh geben sollte, angestrebt & bestellt wurde eine Wildente.
Nachdem fast alle unsrer Gäste zugesagt hatten, bekamen wir Bedenken, ob die Wildente für alle reichen würde. Also machten wir uns wieder auf die Suche nach einer glücklich verstorbenen Hausente vom Bauernhof. Am Ende hatten wir zwei ausgewachsene Enten, wovon aber nur eine in den Ofen passte. Ein weiterer Vorbereitungspunkt war es, Günter zu überreden für die Kinder den Oski, also Odin in seiner Gestalt des Wunscherfüllers, zu spielen. Günter ist die perfekte Verkörperung: langes weißes wallendes Haar samt Rauschebart, nun gut, er hat noch beide Augen, die haben wir ihm aber auch gelassen.
Treffen war am 21.Dezember um 14 Uhr bei Aniko zu Hause. Bevor noch alle da waren, bin ich und Aniko schon in den Wald vorgelaufen. Wir hatten vor, den ganzen Weg bis zum Teich eine Spur von Teelichtern in Gläsern zu stellen, zum einen damit unser Oski den Weg zu uns findet und zum anderen, damit’s auf dem Rückweg im Dämmerlicht schön aussieht. Außerdem wollte Aniko an unsrem Ritualplatz schon mal eine Teelichtspirale bauen. Eine Viertelstunde nach uns machten sich dann Martin & Claudia und Marén mit den 6 Kindern auf den Weg. Günter wartet bereits im Wald gewandet in einen langen blauen Wollmantel mit braunem Filzschlapphut, den er tief ins Gesicht gezogen hatte, mit einem großen Sack voller Äpfel, Nüsse & Kekse. Diverse Spaziergänger fragten ihn schon nach den Teelichtern, die so schön im Wald stehen würden und ob er den Weihnachtsmann spielen würde und fanden das alles herzallerliebst. Irgendwann sah er dann die Kinder, die verstohlen näher kamen und staunend fragten wer er sei. Doch noch bevor Oski-Günter zu seiner Rede ansetzen konnte, begrüßte Martin ihn mit Voenix Worten:

Heil dir Oski, Wunscherfüller,
segensreicher Freudenbringer,
läßt die Herzen sich erwärmen,
Kinder fangen an zu schwärmen,
mögen sich nun laben
an deinen guten Gaben.

Später laßt uns lärmend toben,
zu bannen Geister und Dämonen,
daß nun auch im neuen Jahr
Verderben bei uns macht sich rar.
Bringst Glück hinein in unser Haus
und trägst das Unglück rasch hinaus.

Heil dir, Oski!

Damit war er etwas aus dem Konzept gebracht, aber nach einigen netten Worten machten sich die Kinder über den Inhalt des Sackes her bis sich Oski wieder nach Hause trollte.
Derweil wartete ich und Aniko im eisiggefrorenen Wald bis die Kinder freudestrahlend mit unseren Teelichtern, die sie ordentlich wieder eingesammelt hatten, auf uns zugerannt kamen und uns ganz aufgeregt erzählten, daß sie den Weihnachtsmann getroffen hätten. Kilian war da allerdings anderer Meinung. Das kann unmöglich der Weihnachtsmann gewesen sein, weil bei dem Mann im Wald war der Bart echt und er hatte auch kein Kissen als Bauch unterm Mantel. Cleveres Kind!
Alle zusammen gingen wir nun zu unserer Tanne, um sie wie jedes Jahr mit unseren Opfergaben für die Tiere des Waldes zu schmücken. Und wie jedes Jahr waren uns schon Andere zuvor gekommen und an den umstehenden Bäumen hingen überall schon Äpfel, Möhren und Meisenknödel überzogen mit einer silbern glänzenden Reifschicht. Während wir mit den Kindern die Tanne mit unseren Gaben behangen und unter den Baum altes Brot legten, entzündete Aniko auf der anderen Seite des Teiches schon die Teelichtspirale. Als wir fertig waren, gingen wir zu ihr herüber, nahmen uns alle an die Hand und tanzten mit dem vor allem bei den Kindern allseits beliebten Lied „Oh Tannebaum“ in die Spirale hinein. In der Mitte stand wieder die große Ritualkerze um die wir kreisförmig unsere Gaben legten: Korn, Beeren, Eier, Honig, Räucherstäbchen… Gerade als ich beginnen wollte den Sinn des Festes zu erklären, tauchten noch unsere Nachzügler Andi & Claudi auf, die trotz fehlender Teelichter doch noch den Weg zu uns gefunden hatten. Nachdem auch sie im Ringelreihn durch die Teelichtspirale in unsere Mitte gekommen waren, erzählte ich von Baldur’s Tod zu Mittsommer, von Ragnarök und der Wilden Jagd und das jetzt in der längsten Nacht Baldur wiedergeboren würde, damit ab da die Tage langsam wieder länger werden können. Zu Ehren des wiederkehrenden Lichtes intonierten wir dann alle gemeinsam die Rune Sowilo, was diverse Spaziergänger auf der anderen Seite des Teiches veranlaßte, neugierig zu uns herüberzusehen. Claudia verlas dann den Julsegen und wir sangen alle noch „Schneeflöckchen, Weißröckchen“, während wir wieder langsam aus der Teelichtspirale hinausgingen. Bevor wir wieder zurückgingen, sammelten wir noch alle Teelichter wieder ein und tranken von Andis mitgebrachtem Glühwein. Auf dem Rückweg hatte jeder einmal die ehrenvolle Aufgabe die Ritualkerze zu tragen, wobei es darauf ankam, daß das Licht während des anderthalb Kilometer-Rückweges nicht verlosch. Zu Hause angekommen stellten wir sie in die Mitte des mit Tannengrün auf der roten & grünen Tischdecke festlich geschmückten Kaffeetisches und machten uns über vielerlei Kekse & Kuchen her. Während anschließend ich und Marén in der Küche den Aufwasch bewältigten und ich schon mal die Ente in Augenschein nahm, begann Claudia im Wohnzimmer mit der Weihnachtsgeschichte. Dafür hatte Aniko ihren Erker mit vielen Kissen & Fellen ausgepolstert und alle Kinder lagen zusammengekuschelt darin und lauschten Claudia’s Märchen. Derweil stopfte ich die Ente mit Äpfeln und Cranberries, setzte sie in eine Backform und steckte sie in die Röhre.
Drüben angekommen, bekam ich noch das Ende der Geschichte mit und dann tobten die Kinder auch schon wieder durch den Vorsaal, wo schließlich 10 Hundebabies bespielt werden wollten. Inzwischen hatte Marén Kilians Kindergitarre entdeckt und begann sie zu stimmen, Claudia holte ihre extra julgerecht zusammengestellte Liedersammlung und Martin kramte auch seine Gitarre heraus. Und nun schaffte es Claudia wirklich uns innerhalb einer halben Stunde eines ihrer Jullieder beizubringen, daß nur sie kannte und das zweistimmig! Wir waren alle sehr stolz auf uns.

Ein Jahr muß nun vergehen

Ein Jahr muß nun vergehen
in alle Welt verschneit,
und wird doch bald erstehen
hoch über aller Zeit.

Das alte Jahr muß bringen
sein Licht dem neuen Jahr,
doch seine Sterne springen
am ganzen Himmel gar.

Ein Jahr wird nun verloren
in unsrer Erde Schoß,
wird neu und jung geboren
und leuchtet, leuchtet groß.

Hans Baumann

Wir sangen noch einige andere Lieder wie „Hohe Nacht der klaren Sterne“, „Es saß ein klein wild Vögelein“ und „Hoch im Norden“. Viele Lieder kannte ich noch gar nicht, wie dieses hier, was ich auch sehr schön finde:

Es singt wohl ein Vögelein

Es singt wohl ein Vögelein die ganze Nacht,
die lange, die dunkle, die Winternacht,
so süße tut es aufsingen.
Eia, eia, eia,
die lange, die dunkle, die Winternacht,
so süße tut es aufsingen.

Es blüht eine Blume die ganze Nacht,
die lange, die dunkle, die Winternacht,
ganz heimlich tät sie aufspringen.
Eia…

Es rauschen viel Wasser die ganze Nacht,
die lange, die dunkle, die Winternacht,
und alte Brunnen aufspringen.
Eia…

Es wiegt die Mutter ihr Kind bei der Nacht,
die lange, die dunkle, die Winternacht,
und Erde und Himmel aufklingen.
Eia…
Die liebe, die heil’ge, die Weihenacht,
und Erde und Himmel aufklingen.

Helmut Bräutigam

Zwischendurch sah ich immer mal nach der Ente, Marén bereitete die Klöse zu, Aniko das Rotkraut sowie den Pudding zum Nachtisch und Claudia ihre Pilze und die Eiersuppe als Vorspeiße. Dann konnte schon der Tisch gedeckt werden. Die einzige Beleuchtung bildeten zahllose Kerzen, die im gesamten Raum verteilt waren. Das heißt als ich die knusprig gebratene Ente hereinbrachte, mußte das Licht angemacht werden, weil alle Kinder nocheinmal die Ente bestaunen wollten, bevor sie Martin in kleine Stücke zerschneidet. Das Essen war wieder umwerfend lecker und wir saßen danach wieder alle zufrieden und kugelrund gefuttert um den Tisch.
Nun war die richtige Zeit gekommen für Geschenke! Die Kinder warteten ja schon den ganzen Tag sehnsüchtig. Die Überraschung und die Freude war wieder groß bei allen. Die Kinder mußten gleich alle Spiele ausprobieren & alle Bücher ansehen, genauso wie wir Großen.
Aniko holte dann wieder ihre Runen und die Weltenesche-Karten und unsre alljährliche Orakelrunde konnte beginnen. Es ist immer wieder faszinierend wie passend die Karten bzw. Runen sind und so wurden auch die Runen & Geschehnisse des vergangenen Jahres ausgewertet. In der Zwischenzeit war ein Großteil der Kinder eingeschlafen, sie lagen überall im Raum verteilt in den Kissen & Decken, auf dem Sofa oder im Schoß ihrer Mütter & Väter. Nun konnte wieder die Sumbelrunde beginnen, die uns das letzte Mal ja so gefallen hatte. Dafür hatte ich extra am Tag zuvor Hypocras zubereitet. Das ist ein süßer mittelalterlicher Gewürzwein und geht so:

Hypocras

Auf eine Flasche herben Rotwein gibt man 400g Zucker und einen kleinen Schuß Rosenwasser. 30g Zimtstangen und 60g Ingwerstücke gibt man in einen Leinensack, den man mindestens 3 Stunden im Wein ziehen läßt. Dann abseihen, fertig.
Mir war das noch zu süß und ich habe noch einmal um das Doppelte mit Wasser verdünnt, dann hat man immer noch einen schweren süßen Gewürz-Rotwein, den man auch heiß machen kann.

Den Neulingen erklärten wir noch den Ablauf unseres Sumbels: jeder bekommt der Reihe nach das Glas mit dem Wein, trinkt auf die Götter, Freunde und Ahnen oder sagt sonst etwas Kluges, nimmt einen Schluck und gibt das Glas weiter. Gesagt, getan – wir hatten 3 Flaschen Hypocras vor uns. Nachdem wir wieder all unsre Wünsche & Bitten & Hoffnungen vorgetragen hatten und auch wieder viel Spaß hatten dabei, schlug Martin eine Änderung vor: Jeder erzählt etwas über ein interessantes Buch, das er gerade liest oder gelesen hat. Auch wieder eine sehr lustige & interessante Runde. Bis der erste Beitrag in Form von lautem Schnarchen vorgetragen wurde – Andi war auf dem Fußboden eingeschlafen, nachdem er einem Kind das Kissen geklaut hatte! Gut, es war früh halb 2 und wir beschlossen, daß es wohl an der Zeit wäre, unser Julfest zu beschließen. Und so trennten wir uns alle wieder zufrieden & glücklich und gespannt, was uns das neue Jahr bringen wird.