Sächsisches Brauchtum

Sächsisches Brauchtum

Ein Begräbnis in der Lüneburger Heide

Der Hansbur hatte in seinem letzten Willen bestimmt, daß er ganz nach der alten Art begraben werden sollte, denn damals war schon die Mode aufgekommen, daß schwarz getrauert wurde.
Um ihn aber sollte weiß getrauert werden, auch wollte er keinen hohen Sarg haben und keine Kränze, und auf seinem Grabe sollte ein Pfahl und kein Kreuz zu stehen kommen.
Er wurde in das Notlaken eingenäht, das Meta (seine Frau) aus selbstgesponnenen Flachse gewebt und genäht hatte; Detta (Detta & Sophie sind seine Töchter) setzte schwarze Atlasschleifen an den Sterbekittel und zog ihm die weiße Sonntagszipfelmütze über.
Der Sarg stand auf zwei Stühlen auf der Deele (Diele) und war mit dem Leichenlaken zugedeckt, und davor lag der Sargdeckel, auf dem zwei alte hölzerne Leuchter brannten, deren Füße vier springende Pferde waren. Rechts von der großen Türe hingen die beiden Seelenlaken von der Wand herunter, damit, wenn der Tote noch einmal zurückkäme, er doch einen Platz für sich fände.
Hermen sorgte dafür, daß im Altenteilerhause die Fenster der Schlafdönze (Wohn- oder Schlafstube)nicht offen standen und daß das Bettstroh, auf dem der Altvater gestorben war, bis auf eine Hand voll verbrannt wurde und daß der Backenstuhl, in dem der Alte neben dem Ofen gesessen hatte, umgestoßen wurde.
Durtjen warf die Waschschale, aus der der Tote gewaschen war, entzwei und grub sie ein und legte Kamm und Waschlappen in den Sarg, denn Meta, die von Detta in das Wohnhaus gebracht war, war so hinfällig, daß sie an nichts denken konnte; sie saß neben dem Ofen in der Dönze und sang leise aus dem Gebetbuch,, aber keine Sterbelieder, sondern Lobgesänge.
Der Tag der Beerdigung kam. Das Leichlaken wurde heruntergenommen. Mit freundlichem Gesichte lag der Bauer in dem eichenen, mit Rehmenruß (Rehmen ist der Rauchfang über dem Herd) schwarz gemachten Sarge, Bibel und Gesangbuch unter dem Kinn.
Einer nach dem andern von der Freundschaft ging über die Deele, nickte dem Toten zu und ging nach der Dönze, wo das Frühstück stand. Sie sprachen alle leise, die Männer, und die Frauen flüsterten. Es war ihnen, als wäre dieses ein ganz besonderes Begräbnis.
Der Großknecht kam und sagte: „Es ist wohl an der Zeit“. Da gingen sie alle aus der Dönze; einer nach dem andern trat an den Sarg und gab dem Toten die Hand.
Detta und Sophie, von Kopf bis zu den Füßen in dem weißen Klagelaken, weinten los, denn der Tischler stellte die Leuchter bei Seite und schloß den Sarg.
Er wurde aus der großen Tür getragen und auf das Wagenstroh geschoben. Durtjen reichte das Leichenlaken her, und Detta und Sophie, die hinter dem Sarge saßen, zogen es darüber, daß es rechts und links lang herunterhing.
Die Großmagd goß hinter dem Wagen eine Schale Wasser aus und lief dann in die Dönze, um die Kastenuhr abzustellen und den Spiegel zuzuhängen.
Der Großknecht stellte sich an den Kopf des Sattelpferdes, und die Pferde zogen an und schnaubten, als sie über das brennende Sterbestroh mußten, daß der zweite Knecht ihnen vor die Füße warf.
Die Frauen aus der nächsten Freundschaft, alle in weißen Trauerlaken, gingen hinter dem Sarge her, neben und hinter ihnen folgten die Männer, alle in Kirchenrock und hohem Hute.
Es war ein prachtvoller Tag, als sie Johannes Gotthard Georgius Hehlmann, den letzten Hansbur, den Notweg fuhren.

Hermann Löns aus „Der letzte Hansbur“

Das Eierfest auf dem Protschenberge am ersten Osterfeiertage

Alljährlich eilt am ersten Osterfeiertage in den Mittags- und ersten Nachmittagsstunden, wenn das Wetter es nur einigermaßen erlaubt, Alt und Jung aus Bautzens Mauern nach dem Protschenberge zum Eierschieben. Die Wege nach der luftigen Höhe, durch parkartige Anlagen und grünende Saatfelder führend, vermögen kaum in der Stunde zwischen 1 und 2 Uhr die frohen Schaaren zu fassen. Der Protschenberg, eine von mächtigen Granitfelsen gebildete Anhöhe am linken Spreeufer, westlich von Bautzens altem Schlosse, der Ortenburg, das Flußthal einschließend, trägt auf seinem Scheitel einen Gottesacker, der als Begräbnißort von der zumeist wendischen Bevölkerung des uralten, an der einstigen vom fernen Osten nach Gallien durch Mitteldeutschland führenden Völkerstraße gelegenen Ortes Seidau benützt wird. Ein stark geneigter, von Gras nur spärlich bewachsener, nach dem rauschenden Gewässer der durch die Industrie dem Menschen sehr dienstbar gewordenen Spree blickender Abhang füllt sich rasch mit Seidauer Knaben und Mädchen verschiedenen Alters, und aus dem Munde dieser in rascher Bewegung auf- und absteigender Kinderschaaren tönt fortwährend, bald in vereinzelten Stimmen, bald in vollen Chören der langgedehnte, vom wendischen Dialecte stark gefärbte Ruf: „Eier!“ Die von Eltern, Geschwistern, Anverwandten und wohl auch Dienstboten begleiteten Kinder der Bewohnerschaft Bautzens und Schaaren von Jünglingen und Jungfrauen schauen, in dichten Reihen die Stirn des Protschenberges einnehmend, heiteren Blickes hinab auf die rufende Menge. Es gilt nun, hart gesottene, mit Farben bunt bemalte Eier, oder auch Obst, Backwerk aller Art und nach Befinden auch Kupfermünzen, möglichst weit hinab in die schreienden Schaaren zu werfen. Je nachdem bald aus der Mitte, oder aus einem der beiden Flügel der Städter die Gaben geworfen werden, je nachdem bewegen sich die Schaaren der auffangenden Kinder nach dieser oder jener Richtung. Personen, die im Werfen geübt sind, vermögen Eier bis in den Fluß zu werfen. Ist dies geschehen, so waten abgehärtete Buben baarfuß in das kalte Wasser und ringen unter dem Beifallsrufe der Menge um das farbige Osterei. Gegen drei Uhr lichten sich die Reihen und in den späten Nachmittagsstunden verlassen die letzten Kinder mit ihren errungenen Schätzen den Festplatz. Ueber die Bedeutung und Veranlassung dieses seltsamen Festes herrschen verschiedene Meinungen, aber eine sichere Kunde darüber giebt es nicht. Im Allgemeinen hält man dieses Fest für eine Erinnerungsfeier an jene Zeit, in welcher es dem Christenthume gelang, die heidnischen Götzen von der Höhe des Felsens in die Fluthen des Spreeflusses zu werfen.* Daß der Protschenberg früher ein heiliger, sogar befestigter Ort der heidnischen Bevölkerung der Gegend gewesen ist, haben verschiedene Nachgrabungen und die dabei gemachten Funde mit ziemlicher Gewißheit ergeben, allein von einem Eierfeste zum Andenken an den Sieg des Kreuzes über die Götzen ist keine ältere Kunde vorhanden. Man bringt dieses Fest auch mit der Reformation in Verbindung und meint, daß die Protestanten am ersten Osterfeiertage jedes Jahres auf den Protschen gezogen seien, um ihren Groll darüber zu vergessen, daß sie an diesem Tage ihr Gotteshaus den wendisch-katholischen Christen Bautzens und der Umgegend in der Mittagsstunde zur Benutzung zu überlassen gezwungen seien. Bis zum Jahre 1848 fand allerdings nach alten, nun aufgehobenen Verträgen in dem protestantischen Theile der Petrikirche ein wendisch-katholischer Gottesdienst während der Mittagsstunden statt, sodaß der Festgottesdienst der Protestanten erst um drei Uhr seinen Anfang nehmen konnte. Wenn in diesem letzteren Umstande die Veranlassung zum Eierfeste liegen sollte, so könnte die Entstehung desselben bis in den Anfang des sechzehnten Jahrhunderts zurückreichen denn im Jahre 1525 wurde bereits der erste protestantische Prediger an der Petrikirche angestellt.
Jedenfalls ist das Eierfest auf dem Protschenberge als ein erster allgemeiner Ausflug sogleich nach dem Beginn des Frühlings nicht ohne Poesie, mag auch seine Entstehung und Veranlassung in tiefes Dunkel gehüllt sein. Mit welcher Zähigkeit man übrigens an diesem Eierfeste auf dem Protschenberge hält, beweist der Umstand, daß wiederholt Versuche angestellt worden sind, den Schauplatz des Festes nach dem zum Spiele für die Kinder weit mehr geeigneten Schießplatze zu verlegen, aber stets vergeblich.
* Dies ist irrig und es ist im Gegentheil ein aus dem Heidenthum entlehnter Gebrauch, der die Sage vom Weltenei versinnlichen soll.

aus „Dresdner Presse“ 1874

Das Burgding zu Engerda

Zu Engerda (ode Engern) in der Ephorie Kahla besteht bis auf den heutigen Tag noch das sogenannte Burgding und wird jährlich nach Pfingsten mitten im Dorfe bei der alten Gemeindelinde unter freiem Himmel gehalten. Der Schulze, die Schöppen, die Gemeinde- und Kirchenvorsteher, der Kämmerer und der Gemeindemann bilden das Personal dieses Gerichts, zu dessen Anfang mit der kleinen Glocke auf den Kirchthurme geläutet wird, und vor welchem alle Nachbarn bei Strafe erscheinen müssen. Von diesem Gerichte werden kleine Feld- und Holzdiebstähle, eigenmächtiges Verrücken der Marksteine, unbefugtes Hüten etc. überhaupt alle Uebertretungen der Dorfordnung, die im Dorfe zur Anzeige gekommen sind, gerügt und nach Befinden bestraft. Wenn dasselbe gehalten worden ist, versammelt sich die Gemeinde unter der Linde zum „Biertrunk“, woran nicht blos die Männer, sondern auch die Weiber und Kinder und eingeladene auswärtigen Freunde Theil nehmen und wobei gewöhnlich im Freien getanzt wird, welches jedoch in der Art geschiehet, daß der Amtsschulze öffentlich ausruft, Frieden zu halten; er verbeut Wehr und Waffen, und kündigt demjenigen, so böse Händel anführt an, das Faß wieder zu füllen, nicht mit Wasser, sondern mit Bier, der Amtsstrafe nichts benommen.

aus „Altenburger Kirchengalerie“

Von den merkwürdigen Ceremonien derer Altenburgischer Bauern, wie sie es nämlich bey Hochzeiten, Heimführung der Braut, Kindtauffen, Gesindemiethen, Beerdigungen, Kleidung und Tracht etc. im J. 1703 zu halten pflegten.

Die Altenburgischen Bauern sind ohne Zweifel noch ziemlich unvermischte Abkömmlinge der alten das Osterland bewohnenden Sorbenwenden, sonderbarer Weise aber werden sie noch heute von ihren stammverwandten Brüdern in der Oberlausitz, den dortigen Wenden, gehaßt, warum, weiß man nicht. Wie diese hängen sie noch heute an ihren alten Gewohnheiten, Sitten und Tracht und es wird deshalb nicht uninteressant sein, dieselben so hier zu schildern, wie sie z.B. der Rector des Altenburger Gymnasiums, Frdr. Frise im J. 1703 (Lpzg. kl. 8°.) in seiner in Fragen und Antworten eingerichteten Abhandlung unter obigem Titel beschrieben hat.
Betrachten wir nun zuerst das Capitel der Verheirathung und den damit in Verbindung stehenden Kirchgang, Hochzeit und Kindtaufe, so war damals folgende Sitte. Die Braut nebst ihrem Beistand, welches gewöhnlich der Ortsgeistliche war, sitzt im Hochzeitsshause und erwartet den Bräutigam. Derselbe erscheint nun mit seinem Freiwerber und Beistande vor der Stubenthüre, klopft an und läßt sich durch den Brautdiener anmelden, der ihm die Vergünstigung zurückbringt. Er tritt hierauf mit obigen zwei Personen in die Stube und läßt sich durch diese bei dem Prediger die Braut zum Kirchgange ausbitten. Der Geistliche hält nun eine Gegenrede und läßt die Braut nebst einer christlichen Vermahnung folgen (Aehnlich ward sonst in Istrien verfahren, und auch in Rußland). Die Verlobten ziehen nach der Trauung um den Altar herum und der Brautdiener oder der Bruder der Braut, der sie zum Altar geführt hat, wünscht ihnen Glück. Wenn die Verlobten in die Kirche gehen, so pflegt die Brautmutter oder diejenige Frau, welche ihre Stelle vertritt, etliche Stück Kuchen, der Brautdiener aber etwas Geld unter die zusammengelaufenen Zuschauer zu werfen. Wenn der Bräutigam aus der Kirche geht, so wird er von etlichem zusammengelaufenem Volke aufgehalten, denen wirft er etwas Geld in die Rappuse. Zu Haue angekommen setzt sich der Bräutigam nebst der Braut zu Tische und Letztere hat die ganze erste Mahlzeit über einen langen Mantel um, der mit vielen Falten geziert ist. Des Bräutigams Mutter schneidet dem Bräutigam ein Stückchen Brod ab, desgleichen thut auch die Mutter der Braut. Von den Anwesenden nimmt nun ein Jeder etwas Weniges der Speiße, und so es ein Braten ist, so legt er denselben ganz, wenn er etwas ffür sich abgeschnitten auf seines Nachbars Teller. Man setzt auch zuweilen der Braut und dem Bräutigam zwei brennende Lichter vor und giebt wohl Acht darauf, welches von ihnen am Meisten abnimmt. Wenn endlich alle Speißen abgetragen sind, so wird zuweilen eine Schüssel mit Wasser, darin Nüsse liegen, aufgesetzt, in diese legen die Gäste nach Belieben etwas Geld.
Abends beim Hochzeitstanze muß der Bräutigam mit der Brautmutter zuerst und nach diesem der Brautdiener mit der Braut in ihrem Mantel tanzen, bis sie solchen fallen läßt. Solches wird „den Mantel abtanzen“ genannt. Im Allgemeinen ist zu bemerken, daß die Mannspersonen mit starken Sprüngen, Schreien und mit in die Höhe gehobenen Händen, die Weibspersonen aber mit ganz engem Schritte und ganz sittsam hinter einander tanzen. Nach Beschluß des Tanzes begiebt sich der Bräutigam zuerst zu Bett, hernach führt der Brautdiener nebst etlichen Verwandten die Braut in die Schlafkammer. Nachdem er nun die Braut zu Bett geführt, zieht er ihr in der Kammmer den Stiefel oder Schuh aus, pflegt ihr auch die Zöpfe auszuflechten und wirft sie endlich noch angekleidet in das Brautbett. Die Brautmutter aber oder diejenige Person, welche ihre Stelle vertritt, legt nun einen dünnen Kuchen auf das Bett, welchen die Umstehenden mit den Händen zerschlagen und dabei sagen: „soviel Stückchen soviel Püppchen!“ Der Bräutigam muß nun den dabei Anwesenden Wein oder Branntwein einschenken und der Brautdiener versteckt der Braut den ausgezogenen Stiefel oder Schuh, welchen sie den andern Tag auslösen muß. Indessen machen die Spielleute nebst etlichen Gästen vor der Kammerthüre Musik, und wenn sie hineinkommen können, tanzen sie um das Brautbett.
Am nächsten Tage muß die Braut unter dem Kranze eine gestrickte Haube tragen und der Bräutigam ein neues Hemd, wie auch den Verwandten Schnupftücher, Hauben, Aermel und dergleichen verehren, welches Schwäger-Stücken genannt wird.
Am dritten Hochzeitstage setzt sich der Bräutigam mit der Braut und etlichen nahen Anverwandten an den Tisch, um die Hochzeitsgeschenke in Empfang zu nehmen. Die Braut hat wieder den langen Mantel um, darin sie sich ganz wickelt und mit einem Schnupftuch, indem sie weint, sich die Augen zuhält. Hierauf legt sie ein grünes Rautenkränzlein, daß aber kaum so groß als ein Thaler ist, auf ein schönes Schnupftuch vor sich auf den Tisch. Die nächsten Freunde bringen ihre Geschenke zuerst und es müssen Braut und Bräutigam wie auch die Anverwandten, so dabei sitzen, die Hand zuerst bieten, alsdann das Geschenk mit dem Wunsch übergeben und einem Jeden wieder die Hand bieten. Wenn von Etlichen Bettpfüle und Kissen verehrt worden sind, so legen die dabei stehenden jungen Bursche ihnen solche, wobei sie den Freunden die Hände bieten, auf den Rücken und klopfen wacker mit beiden Händen darauf. Der eine Brautdiener giebt nun dem Hochzeitsgaste, wenn er sein Geschenk überreicht hat, ein großes Glas Bier, etwa mit folgender Formel: „Ehr hut Braut un Bräutgen ene Verihrege gethon, drum last auch weder emahl schenke.“ Nach dem Trunke giebt er ihm auch etwas weniges Kuchen. Die Spielleute pflegen dabei etwas erhaben zu stehen und etliche gute Lieder während des Schenkens zu geigen. Dann muß der Brautdiener mit der Braut, so den Mantel umhat, ein oder zweimal herumtanzen, wobei die Braut den Mantel fallen lassen muß.
Hierauf machen sich die nächsten Verwandten nebst etlichen jungen Gesellen und Jungfrauen bei einem Schmauße noch etliche Stunden im Hochzeitshause lustig und dann schickt man sich zur Heimfahrt an. Die Braut begibt sich nach beendigter Mahlzeit auf den Boden, allwo sie von ihren Eltern Abschied zu nehmen pflegt. Der Bräutigam aber muß selbst die Braut wieder vom Boden herabholen, und sich bei den Eltern für die Erziehung der Braut bedanken, und hierbei werden die Glückwünsche wiederholt. Dann führt der Bräutigam die Braut zu dem Wagen, auf welchem sie ganz vorn nach den Pferden zu stehen muß und einen Schleier wie auch den Hut des Bräutigams auf dem Haupte haben, was andeuten soll, daß der Mann des Weibes Haupt und sie ihm unterthan sein soll. Dann muß sie ein Glas Bier austrinken und das Glas an die Wand werfen. Der Bräutigam macht nun den Fuhrmann und fährt entweder im Hofe der Brautwohnung oder auf einem bequemen Platze dreimal in einem Zirkel herum, indem die Spielleute auf dem Wagen stehen und geigen. Die die Braut begleitenden jungen Burschen pflegen bisweilen auf geputzten Pferden zu reiten und zu schießen, oder wenn sie zu Fuß gehen, so schreien sie auf dem Wege aus vollem Halse. Außerdem fährt ein Wagen mit, auf welchem der Hausrath, den die Braut mitbringt, nebst einem angelegten Rocken steht. Kommt die Braut nun in das Haus des Bräutigams, so muß sie auf dessen Geheiß in das Ofenloch gucken, dann werden allerhand Glückwünsche dargebracht und noch ein Schmauß abgehalten.
Wenn die Braut niedergekommen ist und das Kind zur Taufe getragen wird, pflegt zuweilen eine erfahrene Frau oder Anverwandte mit der Wöchnerin, ehe das Kind wiedergebracht wird, in allen Kammern herumzugehen. In Bezug auf das Knechte- und Mägdemiethen ist zu bemerken, daß diese in den Zwölfnächten auf dem Markte stehen, die Hausväter und Hausmütter aber unter ihnen herumgehen, um die einzelnen Personen desto besser in Augenschein zu nehmen. Die Hausmütter werfen den Mägden das Miethgeld vor die Füße und geben Achtung, ob sie solches geschwind oder langsam aufheben, wo sie daraus die Hurtigkeit oder Faulheit der Dienstboten erkennen wollen. Wenn nun die Mägde anziehen, so setzen sie sich in die Stube ihres Herren so, daß sie das Gesicht nicht gegen die Thüre kehren, weil sie meinen, der Dienst werde nicht lange währen, wenn sie gleich das erste Mal die Augen nach der Thüre wenden. Dann richtet ihnen die Hausmutter noch eine gute Mahlzeit zu, welches die Wandersuppe genannt wird.
Wenn bei ihnen ein Mensch verschieden ist, so machen sie die Fenster auf. Die Leiche wird in dem Hofe unter freiem Himmel hingesetzt und die Leidtragenden stehen dahinter. Ist nun der Todte aus dem Hause hinausgetragen worden, so muß der, welcher im Hause bleibt, mit einem Besen das Haus kehren und solchen zur Thüre hinauswerfen. Die aber, welche am Grabe stehen, werfen einen Erdklos hinein, wenn der Todte eingesenkt wird.
In Bezug auf die Kleidung ist aber zu bemerken, erstlich was die Männer anlangt, daß sie von alten Zeiten her sehr breite und mit einem sehr hohen, spitzigen Thurm gezierte Hüte getragen haben, später bedieneten sie sich der niedrigen Bürgerhüte. Unter den Hüten trugen sie stets eine von Leder oder Tuch gemachte und mit Barchend oder Pelz gefütterte Mütze, welche sie nicht vor ihres Gleichen, sondern nur vor höhern Personen und zwar mit der linken Hand, den Hut aber mit der Rechten abnahmen. Um den Hals tragen sie einen schwarzen Flor. An den Arbeits- oder Wochentagen tragen sie einen Rock aus weißem Tuch mit spitzigen Aermeln und mit Hefteln unter dem linken Arme, wo ein sogenannter Brustlatz zugeheftet ist, und die bis an die Kniee gehen. So gehen die Knechte bei der Arbeit. Sonst tragen sie insgemein einen langen von braunem, grauem oder schwarzem Tuche gemachten Rock, welcher auf der Brust zugeheftet ist und fast bis an die Waden reicht. Bei Fest- und Ehrentagen pflegen sie einen Rock von gutem rothen Tuche mit vielen Falten zu tragen, so etwas vertieft, bei den Händen aber spitzige Aermel hat, unter den Aermeln aber zugeheftet ist und nur bis auf die Kniee langt und eine rothe Jacke genannt wird. Zuweilen haben sie über der sogenannten rothen Jacke ein schwarzes ledernes Wamms mit vielen Falten und großen Taschen ebenso lang als die letztgedachte rothe Jacke. Die Hochzeitbitter und Brautdiener pflegen noch über dem schwarzen Wammse einen weißen sogenannten Schmutzkittel als Vorrath anzuziehen. Die Beinkleider oder Hosen sind ziemlich weit und unter dem Knie zugebunden aus schwarzen Leder. Sonst tragen Männer und Frauen gewöhnlich Stiefeln oder auch lederne Strümpfe und sehr große Schuhe, was man für ein Zeichen einer streitbaren Nation hält. Die Jungfrauen umwickeln die geflochtenen Haarzöpfe mit rothen, grünen oder schwarzen Tuch- oder auch Sammtstreifen, so zwei Finger breit sind und Schrote genannt werden. In dem Nacken hinunter hängen zwei schwarze lange seidene Bänder. Ueber diesen ungewickelten Zöpfen tragen sie eine runde lederne Mütze mit Fischotter um und um geziert. An Fest- und Ehrentagen haben sowohl die Jungfrauen als Bräute ein sogenanntes Hormt auf dem Kopfe, ein rund geformtes silbernes und vergoldetes Blech, zwei Hände hoch, inwendig mit rothem Sammt belegt und auswendig mit vergoldeten Flittern, so größer als ein Groschen wie Blätter formirt und um und um alsos geziert, daß sie im Gehen sich bewegen und klingeln. Wenn die Frauen zum Abendmahl oder zur Beichte gehen, so haben sie den Kopf und das Kinn mit einem sehr blau gestärkten Schleier umwickelt. Bei Ehrentagen tragen sie eine von Seide oder Wolle gewirkte Haube, so wie ein Netz in den Nacken herab auf die Achsel hängt. Sonst pflegen die Weiber sowohl als die Jungfrauen insgemein den ganzen Kopf bis an die Augen mit einer weißen Leinwand also zu verhüllen, daß ein Stück über den Rücken hinab hängt und man von dem Gesichte nur wenig sehen kann. Wenn aber die Jungfrauen in ihrem größten Schmuck gehen, so haben sie ein Krägelchen von gestärkter weißer Leinwand um, welches mit Draht in die Runde gebogen und als ein halber Mond um den Nacken steif bis an die Achseln steht, aber nicht auf ihnen aufliegt. In früherer Zeit trugen sie große weite Aermel von Schleier- oder weißer Leinwand, sodaß ein ganzes Siebmaaß Korn in einen ging. Heut zu Tag (d.h. 1703) sind sie etwas kleiner und müssen sehr blau gestärkt werden, weil sie dies für eine Zierde halten, an solchen hängt auf dem Rücken ein viereckiger Latz von weißer Leinwand mit schwarzer Seide durchnäht. Bei Ehrentagen tragen die Frauenzimmer rothe Jacken mit Falten, eben wie die Mannspersonen, insgemein aber ein schwarzes Tuch-Wamms oder ein sogenanntes ledernes Mieder. Vor der Brust pflegen sie gewöhnlich einen Latz von Sammt oder seidenem Zeuge zu haben. Um die Lenden tragen sie einen schwarzen ledernen Gürtel, so fast eine Spanne breit nebst einer weißen oben schmal einfalteten Schürze. Ihr größter Putz aber besteht aus einem Pelz, so viele Falten hat und in einem gefalteten Kittel. An Ehrentagen tragen die Jungfrauen knappe Stiefel, die Frauen aber schwarze Tuchstrümpfe und Schuhe. Was die Sprache anlangt, so sprechen sie nicht mehr wendisch, sondern deutsch, aber einen ganz besonderen Dialect. Sie verändern erstlich bisweilen ganze Buchstaben z.B. in dem Worte „Maria“ machen sie aus dem Vocal i ein j, und aus dem Vocale a ein e und sprechen „Marje“. Zweitens verstümmeln sie die Worte und versetzen die Buchstaben, z.B. den Namen Elisabeth pflegen sie nicht in „Lise“ zu verderben, sondern auch den Vocal i vor das l zu setzen und sagen „Ile“. Bisweilen versetzen sie nicht bloß Buchstaben, sondern werfen sowohl vorn al hinten solche weg, z.B. in dem Worte „Dorothea“ pflegen sie erstlich die Buchstaben D und o im Anfange und nachgehends das a am Ende wegzuwerfen, so heißt es denn „Orthe“. Als Beispiel ihres Dialects, von dem auch Firmenich, Völkerstimmen Bd.II.S.246 fgg. einige Beispiele in Versen und Prosa gegeben hat, theilt nun Hr. Frise ein im J. 1687 zum Beschluß des Gregoriusfestes, wo man des Kaisers Leopold Sieg über die Türken bei Wien feierte, aufgeführtes Lustspiel mit, welches wir hier mittheilen, weil es ein ganz sonderbares Deutsch enthält und selbst Hrn. Firmenich unbekannt blieb.
Der kurze Inhalt des besagten Lustspiels ist nun folgender. Ein alter Bauer findet an seinem kleinen Sohne eine Neigung zum Studiren, er faßt also den Vorsatz, nach Altenburg zu gehen und ihm bei der Schule daselbst eine Stelle zu verschaffen. Es sieht aber die Sache anfangs etwas schwer aus, indem der Sohn wegen der Anstalt bei dem Gregoriusfeste nicht gleich recipirt werden kann. Zu dem finden sich viele Freunde, welche dem Vater zu diesem Vorhaben entweder ab- oder zurathen. Endlich bleiben Vater und Sohn bei dem gefaßten Beschlusse und es wird ein Valetschmauß auf gutes Glück des Sohnes den Verwandten und Bedienten bei lustiger Musik gegeben.

Personen des Stückes.

1. Puhle, der Vater.
2. Mieke, die Mutter.
3. Barthel, Nachbar im Dorfe.
4. Casper, Nachbar im Dorfe.
5. Pieter, der kleine Sohn.
6. Brusig, Großknecht.
7. Mareige, des Pieters kleine Schwester.
8. Kratsch, der andere Knecht.
9. Kriethe, Magd.
10. Orthe, Magd.
11. Ilse, Magd.

Erster Auftritt.

Barthel. Wu hars Lands Kevatter Puhle, wie kiets, wie ißg aure Sache Kerothen, Dreber Er Keschwitzt hut wie eh Broten?
Puhle. Krusen Dank, Kevatter Pule, ser aure Frage, ich bin racht luschtg un uhne Ploge. Itz kleich kumm ich aus der Stod, die Almerg ehren Namen hot.
Barthel. Was hut ihr denne Durtinne Kethan, mey wald ehr michs wisse lahn?
Puhle. Ich fehrte men Suhn Pieter Kenant, der auch als Pathen wuhl bekannt zum Vurnahmen Kelarner durt, ha sallt ehn froge huhn Wort, un ehn runmahne nach Gebühr, salt hüre, was haa kelernt bey mir.
Barthel. Mey spart auer Kelt, käft mie Fald, namt Pietern das Buch aus der Hand, schickten derver ufs Laand, un nich in die Schule nei, ha kan auch schin beyn Pfaren seyn.
Casper. Ey was, Pieter nich hengern pflug, denn ha iß mey trau racht kluk, unser Schulmester säte nu, ehr salt Pieter immer in de Schule thu.
Pieter. Was, ich sall nicht staudire, davun laß ich mich nich führe, ich lase schin Lotein behenge un mach ach vel Argumenge. Ich staudire in das Almerschen Schule, ehr makt wulle aber nich, Voter Puhle.
Puhle. Nu, nu Pieter, ich marck dich schun, du warst eh racht kelarger Suhn. Du larnst alle Künste parfact, wen dich mund der Racter racht zuhackt.
Barthel. Weils su iß, de luß ichs kesey, mentwagen thut Pietern immer in de Schule nei. Katen de Wuche eh Hauß-Backen Brud, nu wenn ha dinne sey kut thut, da kucht en Zeiten en Tup vull Hirße, un spendirten Racter Zeit eh kericht Pirße: Dafir larnt ha Pietern wichtge Varse mache, das is beyn Kelarten enne preißliche Sache.

Anderer Auftritt.

Puhle. Dan wack sin ich und Pieter umsist kelafen, weil mer ken Schul-Herrn deheme antrafen. Es wor e Spel, es wor e Larm, es wor ene Kait, es wor e Schwarm.
Brusig. Wiech hiere dehat Nackber Puhle sen Sohn in de Schule keführt, weß ha wuhl, was naues passirt?
Kretsch. Ha säte, es wäre e Kesumme und Kebrumme man konne nich vern Ractor kumme.
Brusig. Was is das ver enne Sache, die der Ractor zu Almerg muß mache?
Kretsch. Es sin silche luftge Schwencke, die ich nich kan kedenke.
Brusig. Mey, Pieter, erziehl mers racht, du bist sist e wackrer Knacht, vern Kare warste zwar e Kengscher Narre, heuer aber haste meh als e Kesparre.
Pieter. Ich kan es zwar nich racht kefasse, wenn ichs soll sah spele us der Kasse, su walt ech das Denck wuhl behale, es salt mehr ke Buchstebe fahle. Se saten, se walten van Tercken spela, wie sie ehn gehut uf der Schleif-Mehle, sie walen ah kut preiße un ihra, daß he Klück hut wulla beschire unsern huhen Putenthaten, da der Tercken-Krek kerathen.
Brusig. Nu verstieh ichs kantze Speel, ich wills har seh auf en Näel. Mer solln ah mit lustig sey uns über der Vickturga freih.

Dritter Auftritt.

Puhle. Nu wuhl an, ihr Knachte un Mäde, tantzt un sprinkt mit lustger Frede, laß men Suhn Pieter ah heute zu Ihren e friliges Hartze un Lustigket spüren. Frisch, Spelman, nu machmern Rumpuff, ich sprenge mit Mieken racht wedelg izt druff.
Mieke. Heute mach ich kene Butter, all mei Vieh das hat schun Futter. Ey wird es schiene stieh, wenn ich war zutantze kie.
Barthel. Ihr Spelleute, fedelt mit Macht, immer da kracht, zu fedelt die Säten alle uns Bauern zu Kefalle. Kriete. laß dich nich su zarre, was will du dich lang sparre, hüppe fey wie anre Mäde, heut hun mer unsre Frede.
Kriete. An mer solls trauju nich fahle, ich will mich an auch stats hale saht ich ha Zwar hard Hänge, dach de Stefeln sin kelenge.
Casper. Ih Spelleute, schmert den krusen Fedel-Bugen un dernach sey frisch gezuchen, rumppelt uf den Säten hin, weil ich iz racht munter bin.
Ilse. Kasper, mei vaxir mich nich, du sprengst mir zu wunnerlich, loß mich leber ledig stiehe, daß ich nich zu tanze kiehe.
Brusig. Kratsch, wilte mit so kum, un sie dich nich lange um. Ja du denkst, wer ene hätte, ich nahm mine Kriete mette. Durt stieht ene, zerrse furt, wenn sie kleich en bißgen murrt.
Kriete. Ich kan nich kar schien ketantzeDu siehst wie ene Pummerantze un bist sist ah fey behenge, deine Bene keschwenge.
Kretsch. Brusig, ich kumm kerannt, un ha Orten bey der Hand. Unser sin eh feiner Klump unter welchen kener stump.
Orthe. Ich ha zwar enne spitzge Nase dach ich bin ke albrer Haase, un ha saht en schienen Latz, Kretsch, du bist un bleibst mei Schatz.
Mareige. Pieter, heute hastu Ihre, was wilstu dich lange ziere? Laß dir mund en Vurrehn keige, hengen nach mag ich nich schleiche.
Chrorus: Nu mer fangen an zu sprengen un das Ju! Ju! Heh! zu singen. Mer keben unsern knadgen Harrn Steuer, Schuß un Zinsen Karn, wenn mer mund noch Frede hun un im Lande bleibe kun.

Anmerkung: Es giebt ein späteres, vollständigeres Werk von C.Fr. Kronbiegel, Ueber die Sitten, Kleidertrachten und Gebräuche der Altenburgischen Bauern
(Altenb. 1806 II.A.in 8.M.15 col. Kpfrn. und 2 Bl. Musik), auf welches ich verweise.

Das zerbrochene Glas

In einem Dorfe bei Schöneck war Hochzeit, Jung und Alt war auf den Beinen, Alle festlich geschmückt mit Blumen, Kränzen und Bändern und die Dorfmusikanten spielten ihre lustigsten Tänze und Lieder. Die Kinde versperrten mit Bändern den Weg, sodaß der Bräutigam jeden Fuß Weges sich mit einer kleinen Spende erkaufen mußte. Nach der Trauung ging der Zug aus der Kirche zu Schöneck in das Nachbardorf und hielt vor dem Hause des Bräutigams. Die Mutter kam heraus und überreichte ihrem Sohne, ohne die Braut, wie es Sitte war, zu begrüßen, ein gefülltes Glas. Der Bräutigam trank und überreichte es dann seiner Braut. Diese leerte es vollends und warf es dann rücklings über sich auf das Pflaster des Hofes. Alle standen dabei gespannt im Kreise. Das Glas fiel, aber zerbrach nicht. Ein Freund der Braut zertrat es nun mit dem Fuße. Nun erst bewillkommnete die Mutter ihre Schwiegertochter, aber etwas kalt, denn für sie, sowie fr alle ihre Gäste, war das nicht zerbrochene Glas eine üble Vorbedeutung. So war es auch, denn nach wenigen Jahren war die junge Frau schon todt, mit der Wirthschaft gings auch nicht, das Haus ward verkauft und der Mann ist fortgegangen, Niemand wußte wohin. Bei den Lausitzer Wenden werden während des Hochzeitsmahles die Gläser auf den Boden geworfen und müssen zerbrechen. Bei den Juden muß das unter der Trauung von dem Brautpaare geleerte Glas Wein zertreten werden. Ebenso ist es ein schlimmes Anzeichen, wenn das Glas, welches bei dem Heben eines Hauses von dem Polier nach seiner Rede herabgeworfen wird, nicht zerbricht.

aus Nork „Sitten der Deutschen“
Döhler „Illustriertes Familienjournal“

Der unheilvolle Andreasabend

In den siebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts trug sich in Schreiersgrün bei Treuen Folgendes zu. Sechs erwachsene Mädchen wollten am Andreasabend die Wäschestange schütteln und mußten, um zu derselben zu gelangen, über eine Hecke steigen. Im Voigtlande schütteln die Mädchen am Andreasabend einen Erbzaun, d.h. einen Zaun, der sich an einem geerbten Grundstücke befindet, und sprechen dazu: „Erbzaun ich rüttle Dich, Feines Liebchen, ich bitte Dich, Du wolltest mir lassen ein Hündlein bein (bellen) Wo mein Herzallerliebster wird sein.“ Dann horcht man auf Hundegebell, und in jene Gegend, woher dasselbe erschallt, dahin heirathet man.Als sie schüttelten, hörten sie auf einmal von einem geheimnisvollen Wesen die Worte: „Ein Scheffel Därmer!“ Sogleich rissen die sechs Mädchen aus und machten sich wieder über denselben Zaun aus dem Garten heraus. Aber das letzte Mädchen verfing sich in dem Geäst, stürzte nieder und verwundete sich dergestalt, daß ihr das Gedärm aus dem Leibe heraushing.

aus Köhler „Aberglauben und Sagen im Voigtlande“

Gotteslästerer bestraft

Im Jahre 1607 den 24. December in der Christnacht sitzen etliche Bauernburschen in einem Dorfe zwei Meilen von Bautzen (zu Milckel genannt Minakaw, oder Wessel) beisammen, saufen und spielen das Glück auf das kommende Jahr, wie es bei den Wenden damals Gebrauch war. Als nun der eine die Schanze verspielte, hat er darüber gräulich gelästert und geflucht, schrecklich geschworen und ich vermessen. In solcher Gotteslästerung bleibt er hinter dem Tische sitzen, die Augen offen, als sehe er noch, hält auch die Kartenblätter in den Händen und verstummt. Die Andern vermeinten, er zürne, weil er nicht reden und zum Spiel nicht zuwerfen wolle, ermahnen und rufen ihm zu, er solle doch zugeben, rütteln und stoßen ihn, da fällt er um und ist todt, ist also ein solcher Gotteslästerer jählings durch Gottes Strafe und ernstes Gericht dahingefahren und also todt nach Hause getragen worden.

aus „Annalen der Stadt Bautzen“ 1607

Was das Rennen nach dem Semper der Budissiner Frauen im 15.Jahrhundert zu bedeuten gehabt?

Mehrere Chronisten der Oberlausitz berichten, es sei ehedem der Gebrauch in der Stadt Bautzen gewesen, daß Donnerstags vor Fastnacht die vornehmsten Frauen, sowohl junge als alte, zusammenliefen, allerhand schandbare Lieder sangen, den Bürgern in die Häuser liefen und für ihre unehrbare Possen, Reden und Geberden Bratwürste, Fleisch, Brod und andere Victualien verlangten. Diese schändliche Gewohnheit, das sogenannte Rennen nach dem Semper, soll nun als ein unsauberes Ueberbleibsel der alten Bacchanalien, das die alten Wenden beibehalten, der Bischof zu Meißen, Joh. Hoffmann, im Jahre 1444 (nach andern 1442 oder 1447) abgeschafft, doch dagegen ein festum Mariae virginis, inventionis pueri, da sie den Knaben Jesus im Tempel fanden, zu feiern angeordnet haben. Damit ist aber noch nicht geklärt, was das Semperrennen eigentlich bedeute, und so hat man verschiedene Erklärungen gegeben. Eine alte handschriftliche Chronik erzählt nun, es habe nach dem König Sompax (derselbe wird auch Zember, Cimber, Gambrivius genannt und wäre also mit dem Bierkönig Gambrinus identisch), der 44 Jahre im Regiment gesessen, in Germanien und in deutschen Landen sein Sohn König Schwab 46 Jahre lang geherrscht, denselben hätten seine Nachkömmlinge, die Schwaben, auch zum Gott gemacht, ihm in der Gegend, da jetzt Görlitz und das Lausitzer Land ist, einen wilden und erschrecklichen Wald geweiht, wären auch alle zu gewöhnlicher Zeit zusammengekommen, hätten ihn offenbar mit Menschenblut verehrt und in seinem, nämlich des Sompars Namen, einen Menschen wie einen Ochsen abgestochen und abgethan, es habe auch Niemand in den Wald gehen dürfen, es wären ihm enn die Hände auf den Rücken gebunden gewesen, damit anzuzeigen die Gewalt Gottes und daß er einig wäre und die Einigkeit liebe; wenn nun Einer ohne alles Gefähr gefallen sei, habe er nicht wieder aufstehen dürfen, sondern sich herauswälzen müssen. Andere glauben, das Wort komme davon her, daß die Frauen zu Ehren des heil. Symphorianus, der angeblich der Unfruchtbarkeit habe abhelfen sollen, diesen Unfug getrieben. Allein am Wahrscheinlichsten ist es, daß diese Sitte der Budissiner Frauen von der Stadt Nürnberg entlehnt ward, wo bekanntlich im 14. und 15. Jahrhundert die Fastnachtslustbarkeiten der Handwerker und später auch der Patrizier unter dem Namen „nach dem Schönbart laufen“ gehalten wurden und zu dem Ursprunge der sogenannten Schemperlieder Gelegenheit gaben.

aus Carpzovs „Ehrentempel der Oberlausitz“ 1719
Köpping „Lausitzer Monatsschrift“ 1805

Todesaustreibung

An einigen Orten im alten Churfürstenthum Sachsen war es früher gebräuchlich, am Sonntage Laetare den Tod auszutreiben. Die Knaben machten nämlich aus Stroh eine menschliche Figur, behingen sie mit Lumpen, steckten diesen Popanz an eine Stange und trieben ihn so mit großen Geschrei und unter Absingung eines besonnderen Reims durch die Stadt.

Nach B. Schnurr „Kunst-, Haus- und Wunderbuch“ 1690 lautete dieser Reim also:

Nun treiben wir den Tod auß,
Dem alten Juden in seinen Bauch,
Dem jungen in den Rücken,
Das ist sein Ungelücke.
Wir treiben ihn über Berg und tieffe Thal,
Daß er nicht wieder kommen soll,
Wir treiben ihn über die Hayde,
Das thun wir den Schäfern zu Leyde.

Darnach kamen sie wieder zu Hause und sangen:

Nun haben wir den Tod hinaus getrieben,
Und bringen den lieben Sommer wieder,
Den Sommer und auch den Meyen,
Der Blümelein sind mancherleyen.

Uebrigens sang man diesen Reim an verschiedenen Orten immer anders, z. B.:

Nun treiben wir den Tod hinaus
Den alten Juden/Weibern in das Haus
Den jungen/reichen in den Kasten
Morgen wollen wir fasten.

Eine andere Version nach Hellbach „- Heidentum & Mittelalter – von Schwarzburg“ 1787 ist folgende:

Wir tragen den alten Thor hinaus
Hinters alte Hirtenhaus,
Wir haben den Sommer nun gewonnen
Und Krode’s Nacht ist wegekommen.

warfen ihn dort in eine Grube und liefen dann eiligst zurück, indem der Aberglaube besagte, daß, wer von den Austreibern hinter den übrigen zurückblieb, dieser in demselben Jahre noch sterben müsse. Am 28. März des Jahres 1745 haben nun aber an diesem sogenannten Todtensonntage neun Knaben in der Stadt Radeberg den Tod mit großem Geschrei ausgetrieben und bei einem sumpfigen Orte vor der Stadt in eine Grube geworfen, weil sie aber daselbst ein Kraut und Wurzel, die man Schirling nennt, angetroffen, und einer der Knaben, sonder Zweifel mit Eingebung des Satans, diese Wurzel ausgezogen, für eine Möhre gehalten, davon gegessen, auch einigen andern etwas gegeben mit dem Beifügen, daß, wer von der Wurzel esse, wacker laufen könne; allein da, wie bekannt, dieser Schirling pures Gift ist und die Menschen tödtet, so sind alsbald acht dieser Knaben daran erkrankt (der neunte hatte gar nicht davon genossen), auf der Gasse umgefallen, haben stark geblutet, auch einen heftigen Anfall von Epilepsie gehabt. Vier von den selben, die von der Wurzel wirklich gegessen, sind noch diesen Abend verstorben, einer hat noch bis den anderen Tag gelebt, drei andere aber, denen man sogleich mit dienlichen Medicamenten beigesprungen, haben zwar lange krank gelegen, sind aber am Leben erhalten worden. Merkwürdig ist es übrigens, daß alle diese Knaben an dem erwähnten Todtensonntag Mittags um 1 Uhr mit Samuel Gläntzel’s Leiche zu Grabe gegangen waren, dann haben sie gegen 4 und 5 Uhr jenen Unfug vorgenommen und Abends gegen 8 Uhr sind die ersten vier schon todt gewesen.

aus „Curiosa Sax“ 1745

Das unglückliche Schuhwerfen zu Cossebaude

Am 10.Septbr. des Jahres 1655 haben etliche junge Burschen und Mägde im Dorfe Cossebaude bei Dresden das Schuhwerfen gespielt. Dies ist nämlich eine Art Dienstorakel, indem sich die fragenden Dienstleute auf die Erde setzen und einen nur zur Hälfte am Fuße steckenden Schuh über sich zu werfen bemüht sind, da sie denn daraus, ob der Schuh mit der Spitze oder Ferse nach der Stubenthür sich wendet, den Schluß machen, ob sie dieses Jahr in diesem Hause wieder Dienst haben werden oder nicht. Nun hat sich eine Magd beim Bücken das im Busen gehabte Brodmesser ins Herz gestoßen und ist gleich todt geblieben.

aus Weck „Dresdner Chronik“

Der Todtenteich bei Tharand

Wenn man durch Tharand hinauf am Amthause vorbei nach dem Kalkofen und dann weiter im Thale fortgeht, so kommt man in den sogenannten Ebergrund und zur Ebermühle, bei welcher der von dem Mühlbache gebildete Todtenteich liegt, der seinen Namen davon hat, daß früher bis in das Ende des vorigen Jahrhunderts die Sitte herrschte, wenn die Bewohner der umliegenden Dörfer den Tod austrieben, den diesen vorstellenden Strohmann hier hineinzuwerfen. Man behauptete, bei hellem Sonnenschein in der Tiefe desselben noch heute das steinerne Bild desselben liegen zu sehen.

aus „Tharand und seine Umgebungen“ 1835

Der Sächsische Götze Hennil

Die sächsischen Bauern haben in der Heidenzeit einen sonderbaren Hausgötzen gehabt, dem sie dienten und in den sie großes Vertrauen setzten, selbigem auch opferten. Sie hatten einen Stab, an dem sich oben an der Spitze eine Hand befand, welche einen eisernen Ring hielt, und dieser ward von einem Hirten in alle Häuser des Ortes herumgetragen und am Eingange von dem, der ihn trug, also angeredet: „Wache auf, Hennil, wache auf!“ dieß war nämlich sein Name. Hierauf setzten sich die Bauern sämtlich zu Tische und ließen es sich wohl sein.

Das unglückliche Pflugziehen zu Leipzig

Im 15.Jahrhundert herrschte in Leipzig die sonderbare Sitte, daß zur Fastenzeit eine Anzahl vermummter junger Bursche einen Pflug durch die Straßen schleifte. Ein Theil derselben ging in die Häuser und bettelte, ein anderer aber lief neben dem Pfluge her, und wo sie ein lediges Frauenzimmer erwischten, das wurde ohne Gnade vor den Pflug gespannt, und so zogen oft ganze Reihen alter Jungfern denselben und wurden so dem öffentlichen Gespötte preißgegeben. Endlich haschten sie bei der letzten Wiederholung dieses Mummenschanzes einmal eine Magd und wollten sie vorspannen, diese aber entlief und rettete sich in die Küche des Hauses, wo sie diente. Dies hinderte aber die wilden Gesellen nicht ihr nachzulaufen, allein als man sie packen und mit Gewalt an den Pranger der Ehestandslosigkeit spannen wollte, zog sie ein Küchenmesser hervor und stach einen der Männer nieder. Vor Gericht geführt, gab sie vor, sie habe nicht einen Menschen, sondern ein Gespenst vor sich zu sehen geglaubt.

Der Gänserich zu Pegau

In Pegau ist an dem sich an das Rathaus lehnenden Elsterbrückenbogen, der die Ober- von der Niederstadt trennt, ein geköpfter Gänserich in Stein gehauen: der soll an eine hier im Jahre 1664 vorgefallene Begebenheit erinnern. Bis um diese Zeit ist dort nämlich ein Volksfest, das sogenannte Gänserichreiten gewöhnlich gewesen, wobei nämlich auf einem freien Platze ein Gänserich an einem Stricke 8 Ellen hoch über der Erde von einem zwischen zwei hohen Stangen ausgespannten Seile herabhing; nun mußten diejenigen, welche um die auf der Spitze zweier Stangen aufgehängten Preise kämpfen wollten, zu Roß im Galopp unter jenem Vogel hindurchjagen, und wem es gelang, in demselben Augenblicke denselben nicht blos zu erhaschen, sondern auch herabzuziehen, ohne aus dem Sattel zu kommen, der hatte gesiegt. Nun soll bei der letzten Wiederholung dieses Festes der Gänserich einem jungen Burschen, der ihn fest gepackt, die Handadern durchgebissen und derselbe in Folge davon gestorben sein. Kurz und gut, seitdem hörte das Volksfest selbst nicht allein auf, sondern es wurde auch den Pegauern nicht blos das Halten der Gänse innerhalb der Stadtmauer untersagt, sondern es durfte überhaupt auch keine Gans mehr nach Pegau, wo dieses Thier jetzt vogelfrei war, bis endlich in dem laufenden Jahrhundert sich Niemand mehr hieran kehrte.

Der Getreideschneider im Erzgebirge

Am Johannistage in der sechsten Stunde kommt der sogenannte Getreideschneider auf die Felder und schneidet über die Ecke eines Stückes Getreide durch und hat dann, wenn der Bauer drischt, den halben Nutzen davon. Um diesem vorzubeugen, nimmt der Bauer Liebstöckelöl (Oel aus levisticum officinale) und macht, nachdem er den Finger in das Oel getaucht, ebenfalls in der sechsten Abendstunde des Johannistages drei Kreuze an jede Ecke des Feldes auf die Erde. Ist aber der Getreideschneider bereits dagewesen, so hängt der Bauer, bevor er das Getreide einfährt, ein Büschel Reißigspitzen (frischgrünende Tannenzweige) über dem Scheuerthor auf, drischt sobald als möglich und macht dabei mit dem Reißigbüschel den Anfang. Dann ist der Bann gelöst und der Getreideschneider zieht keinen Nutzen. aus Spieß „Aberglauben, Sitten und Gebräuche im Sächsischen Obererzgebirge“ 1862 Im Bairischen Voigtlande heißt er der Billmetschneider, der in Folge des Bundes mit dem Bösen die Frucht des Feldes, welches er umschreitet, in seine Scheuer zaubert.
aus Panzer „Beiträge zur deutschen Mythologie“ 1860 In Thüringen und Franken wird er der Binsenschnitter genannt, er macht fußbreite Wege durch die Getreidefelder, indem er kleine Sicheln an den Füßen hat, und die Leute, bei denen er geschnitten hat, kommen nie zu Vorrath.

aus Rochholz „Naturmythen“ 1862