Göttersagen

Göttersagen

Der Nachtjäger*

Einst kommt spät in der Nacht ein Mann von Spitzkunnersdorf nach haynewalde. Er hört Hundegebell, sieht weit umher aufgestellte Netze, erblickt auch endlich dreibeinige Hunde emsig jagend. Er kommt etwas in die Irre, fürchtet sich gehörig, erreicht aber doch glücklich und ohne Schaden das Dorf.
* Von diesem ist in der Oberlausitz oft die Rede: er ist jedoch gleichbedeutend mit dem wilden Jäger.

aus „Lausitzer Magazin“ 1838

Der dreibeinige Dachs

Im Ronneburger Forste hatten ein Paar Lichtenberger einen Dachs erlegt. Kaum daß sie ihn im Sacke haben, überrascht sie die wilde Jagd und eine Stimme fragt, „ob alles Wild erlegt sei?“ Gleich darauf antwortete eine andere Stimme: „es fehlt nur noch ein dreibeiniger Dachs!“ Von Grausen erfaßt eilen jetzt die Versteckten davon, entleeren im Laufen ihren Sack und was sehen sie, was heraus fällt? ein Dachs mit drei Beinen.

aus Eifel „Voigtländisches Sagenbuch“

Rübezahl auf dem Zschirnstein.

In der Nähe der Dörfer Schöna und Reinhardsdorf erhebt sich der große Zschirnstein, nächst dem Schneeberge der höchste Punkt der westlichen sächsischen Schweiz, 1780 Fuß über der Meeresfläche. Dieser soll eigentlich Zürnstein geheißen und sein jetziger Name hieraus verstümmelt sein. Er erhielt jene Benennung davon, daß Berggeist Rübezahl einst das Riesengebirge verließ und das sächsische Sandsteingebirge besuchte. Als er jedoch hierher kam, versah er es und rannte mit seinem Kopf unversehens an diesen Felsen, so daß derselbe in zwei Theile zersprang, in den großen und kleinen Zschirnstein, und er selbst einen schweren Fall that, wobei er mit dem Fuße den erstern auf der Nordseite niedertrat und zwei Zähne, einen Augen- und einen Backzahn, verlor. Beide liegen noch bei Schöna, und ist ersterer der heutige Zirkelstein, letzterer aber der Kahlstein oder die Kaiserkrone, und weil Rübezahl bei Schandau in einem Grunde rastete und hier seine Schmerzen zu stillen suchte, heißt dieser noch heute der Zahngrund. Von seinem starken Blutverluste zeugen aber ebenfalls noch jetzt die röthlichen Adern, welche das Gestein dort durchziehen.

bei Hoffmann „Das Meißner Hochland“ 1842

Der Käthelstein bei Annaberg.

Im Dorfe Trohnau bei Annaberg lebte vor alter Zeit ein Steiger, Namens Günzer, ein frommer und redlicher Mann. Einst kehrte er zur Winterzeit von seinem Tagewerke in der Grube nach seiner Wohnung mitten durch den Wald zurück, da trat plötzlich ein Mann aus dem Dickicht vor ihm hin und bat ihn, er möge ihm doch gestatten, mit in sein Haus zu gehen und daselbst die Nacht hinzubringen, weil er sich nicht getraue, im tiefen Schnee und der herrschenden Finsterniß den Weg weiter zu finden. Zwar gefiel dem Steiger weder die Stimme noch das Aussehen des Bittenden, allein er hatte Mitleid mit ihm und gewährte ihm also seinen Wunsch. Sie schritten nun stumm neben einander bis ins Dorf, als sie aber an das Haus Günzers gekommen waren und ihnen die Tochter desselben, Katharina die Thür geöffnet hatte, stieß diese bei dem Anblicke des fremden Gastes ein furchtbares Wehgeschrei aus, ließ vor Schreck die Lampe fallen, welche sie in der Hand trug, und als der bekümmerte Vater dieselbe wieder angezündet und seine in Ohnmacht gefallene Tochter wieder zum Leben gebracht hatte, sah er erst, daß jener verschwunden war. Er hatte nun nichts Eiligeres zu thun, als seine Tochter zu fragen, warum sie so erschrocken sei, allein diese antwortete, es sei der Teufel gewesen, der sie als Braut heimführen wolle; es habe ihr nämlich vergangene Nacht geträumt, sie liege im Walde und es komme ein Mann, ganz so wie der eben verschwundene Fremde, auf sie zu und nenne sie seine Braut, küsse sie und lasse dann bei seinem Weggehen sich durch sein Hörner, Schwanz und Pferdefuß als den Teufel erkennen. Der alte Günzer war eben daran, sie zu trösten, da erblickte er auf dem Tische ein Blatt Papier, auf welchem geschrieben stand: ‚In 9 Wochen werde ich um Mitternacht ans Fenster pochen und meine Braut heimführen!‘ Nun war kein Zweifel mehr, daß der Traum in Erfüllung gegangen war.
Vater und Tochter verlebten nun die 9 Wochen in Angst und Sorgen, sie beteten zwar von früh bis Abends, gingen auch zum Abendmahl, allein eine innere Stimme sagte ihnen, daß der Böse nicht so leicht von ihnen lassen werde. Und so war es auch, als die Mitternachtsstunde des letzten Tages jener Frist verstrichen war, da pochte es ans Fenster und schrie mit schrecklicher Stimme: ‚Braut heraus!‘ Günzer rief aber laut Gott um Beistand an und der Gottseibeiuns verschwand unter Donner und Blitz mit den Worten: ’noch 9 Tage Frist, dann bist du meine Braut, oder Eure Hütte steht in Flammen!‘
So verstrichen abermals 9 Tage unter Angst und Sorgen, allein wieder kam die gefürchtete Mitternachtsstunde heran und mit dem zwölften Schlag klopfte es an das Fenster und rief: ‚heraus die Braut, sonst brennt das Haus!‘ Aber der alte Günzer schloß seine besinnungslose Tochter in seine Arme und sprach: ‚um Christi Wunden, hebe dich weg von uns Satanas!‘ Da brüllte der Teufel: ‚Braut, das Haus steht in Flammen, nochmals 9 Wochen Frist, und bist Du dann noch nicht mein, so wird Dein Vater elendiglich enden!‘ Mit diesen Worten verschwand er zwar, allein auch das ganze Haus stand in Feuer und nur mit der größten Mühe retteten Beide ihr Leben.
Sie flohen nun zuerst zu Verwandten, allein bald bauten ihnen mitleidige Menschen eine andere Hütte am Rande des Waldes, denn ihre frühere war zu einem stinkenden Schwefelpfuhl geworden. Allein auch hier ward es nicht besser; schon kam wieder die neunte Woche heran, da übermannte einst am hellen Mittage Käthchen der Schlaf, und es träumte ihr der Teufel mit seinem Gefolge schaue zu ihrem Fenster herein und wolle sie in seine höllische Residenz entführen, und als sie unter einem furchtbaren Schrei aus ihrem Schlafe auffuhr, da that sich auf einmal die Thüre auf und ein Engel, umstrahlt von Rosenlicht, schwebte herein, ein Cuzifix hoch in der Hand tragend, winkte ihr und sprach: ‚folge mir, ich bringe Dir Frieden.‘ Er führte sie nun mitten durch den Wald auf einem ihr gänzlich unbekannten Wege, bis sie an einen Felsen kamen, der öffnete sich, als der Engel ihn mit dem Kreuze berührte, und nun schritten sie durch eine Felsenspalte, bis sie an ein hohes Thor kamen, was wie Silber glänzte: vor diesem saßen sieben Greise mit spitzen Mützen und langen Bärten. Als diese aber das Crucifix erblickten, da neigten sie sich tief und das Knäblein und die Jungfrau traten in einen hohen Saal, der mit lauter Edelsteinen verziert war und durch deren Glanz sein Licht empfing; in diesem lag auf kostbarem Lager unter einem prächtigen Baldachin eine wunderschöne Frau, umstrahlt von einem Sternenkranz und zu ihren Füßen lagen 7 Zwerge betend auf den Knieen. Als diese den Engel erblickte, fragte sie ihn, was ihn berühre, dieser aber erzählte ihr die furchtbare Gefahr des unglücklichen Mägdleins und bat sie um Hilfe. Hierauf gebat die Fürstin der Berge – denn das war sie – einem der Zwerge, ihr eine Urne von Sardonyx aus einem Krystallschränkchen zu bringen, nahm daraus ein Kreuz von blitzenden Diamanden und sprach: ‚Käthchen, trage dieses Kreuz stets auf Deiner Brust und der Böse wird Dir nichts anhaben können!‘ Bei diesen Worten nahm der Zwerg eine Schnur Perlen aus der Urne, knüpfte daran das Kreuz und hing es ihr um den Nacken. Damit nahm er Käthchen wieder bei der Hand und führte sie denselben Weg wieder zurück, den sie gekommen waren, und als er den Felsen wieder mit Hilfe des Crucifixes wieder geöffnet, da nahm er Abschied von ihr und sprach, sie solle ruhig sein, denn sie stehe in Gottes Schutz. Als Käthchen nach Hause kam, fand sie ihren Vater daheim und erzählte ihm, was ihr begegnet war, zeigte ihm auch das Kreuz als Beweis der Wahrheit ihrer Erzählung. Da erwiderte ihr derselbe, daß auch ihm etwas Aehnliches wiederfahren, denn er habe im Schachte beim Graben ein goldenes Jesuskreuz gefunden. Als sie es näher betrachteten, um vielleicht ein Merkmal zu finden, an welchem sie den rechten Besitzer erkennen könnten, sahen sie den Namen des Steigers darauf geschnitten, mit den Worten: ‚Dem Gläubigen hilft Jesus Christus.‘
So erwarteten sie voll guten Muths das Ende der Woche und die früher so gefürchtete Mitternachtsstunde. Endlich schlug sie, und kaum war der letzte Schlag verklungen, da pochte es an das Fenster und brüllte: ‚heraus die Braut, heraus die Braut!‘ Da öffnete Käthchen selbst das Fenster und hielt dem Bösen ihr schimmerndes Kreuz entgegen und unter furchtbarem Wehgeschrei wich er zurück, zuvor aber rief er: ‚Käthchen, Dich schützt Gottes Macht, ich habe keinen Theil an Dir, aber jetzt ist die Reihe an Dir, Günzer, mir in die Hölle zu folgen, komm heraus, daß ich Dich packen kann!‘ Allein auch hier mußte er weichen, denn Günzer hielt ihm sein goldenes Jesuskreuz entgegen, allein diesmal verschwand er nicht so ruhig, wie die frühern Male. Ein furchtbares Gewitter begann sich zu entladen, ein Orkan warf die stärksten Bäume nieder und erschütterte das Häuschen in seinen Grundfesten, der zum Strom angeschwollene Waldbach drohte dasselbe wegzureißen, allein kaum schlug es Eins, so war Alles wieder still und der Mond leuchtete silberhell durch die finstern Wolken.
So ward nun Käthchen ihres höllischen Bräutigams ledig, und nach zwei Jahren ehelichte sie ein wackerer Bergmann aus Frohnau, der ihr schon längst sein Herz geschenkt hatte. Der Bergmeister aber verlieh demselben die Stell des alten Günzer, der sich nunmehr zur Ruhe setzte und den Rest seines Lebens bei seinen Kindern zu verleben dachte. Noch schenkte ihm Gott zehn Jahre und er hatte die Freude, innerhalb dieser Zeit drei Enkel auf seinen Armen zu wiegen. Als ihn aber Gott abrief, da vergaß sein Käthchen nicht, welches Loos er mit ihr getheilet hatte und wie die Fürstin der Berge sie herrlich geführt hatte. Darum ließ sie ihren Vater an jener Stelle am Felsen bestatten, wo der Engel denselben gespalten hatte, und nun ging sie jeden Tag hin, um dort für das Seelenheil des geliebten Verstorbenen zu beten. Dies tat sie lange Jahre, bis sie selbst eine Greisin war. Einst aber ging sie auch, um an dem Grabe ihres Vaters zu beten und kehrte nicht zurück, und als ihr Mann und ihre Kinder hinausgingen, um sie zu suchen, da fanden sie nur ihre Leiche, aus dem Felsen trat aber der Engel im Rosenlicht, küßte die Entseelte auf die Stirne, nahm ihr das Demantkreuz ab und schwang sich damit zum Himmel auf. Der tiefbetrübte Gatte aber rief einige seiner Kameraden herbei und brach ihr ein Grab in den Felsen ein, und als Raum genug vorhanden war, um den Sarg hineinzusetzen, und die Leibtragenden eben damit beschäftigt waren, denselben an seinen Ort zu stellen, da schwebten zwei Engel herab, hoben ihn von der Bahre, stellten ihn an den Felsen und schlossen denselben wieder mit einem großen Quadersteine so geschickt, daß niemand mehr sehen konnte, wo die Oeffnung gewesen war. Seit jener Zeit aber nennt man jenen Felsen, wo Käthchen den ewigen Schlaf schläft, den Käthelstein.

von Gottschalk „Deutsche Volksmärchen“ 1856

Das wüthende Heer bei Wiesenthal und im Erzgebirge

Im ganzen Erzgebirge, besonders in dem höhern Theile desselben läßt sich das wüthende Heer sehen und hören. Man hört ein starkes Jägergeschrei und gewöhnlich den Ruf : Hu!hu!hu! So reiste zu Ende des 17. Jahrhunderts ein alter Geistlicher von Wiesenthal, Namens David Ryhl, nach Annaberg durch einen dicken Wald, und es erhob sich mitten im Walde ein ungemein lauter Jägerlärm, um welche Zeit doch kein Arbeiter noch Jäger auf dem Felde zu finden war. Der Fuhrmann besann sich bald darauf und sagte: „Herr, es ist das wüthende Heer, wir wollen in Gottes Namen fahren, es kann uns nicht schaden.“
Eines Tags sind noch in diesem Jahrhundert zwei Brüder, Spitzenhändler, in der Schneeberger Gegend auf der Straße von Stangengrün nach Hirschfeld geritten, da haben sie plötzlich am hellerlichten Tage auf freiem Felde das laute Hohoschreien des wilden Jägers gehört, aber ihn selbst nicht gesehen, nur unter ihren Pferden, die sich furchtbar gebäumt, sind eine Menge kleiner Dachshunde herumgelaufen, ohne daß sie jedoch einen derselben hätten von den Pferden treten sehen, und plötzlich ist Alles wieder verschwunden gewesen.
Manchmal hört der Wanderer, wenn er in dem obern Erzgebirge durch die einsamen Wälder und Felder geht, immer etwas theils im Gebüsch, theils im Korne neben sich hergehen, gerade wie wenn ein großes Thier, eine alte Kuh das Getreide niedertritt, gleichwohl sieht er nichts, und man schreibt auch diesen Ton dem wilden Heer zu. Einstmals ist im Dorfe Steinpleiß die ganze wilde Jagd mit Hundegebell, Peitschenknall und Jagdgeschrei um Mitternacht mitten durch den Hof des Richters gegangen.
Ein anderes Mal ritt ein beherzter Mann ganz allein in der Abenddämmerung nicht weit von Annaberg auf der gewöhnlichen Heerstraße, da sah er einen alten Bergmann vor sich hergehen. Als er an ihn herankam, bot er ihm einen guten Abend, erhielt aber keine Antwort, ebenso wenig auf die Wiederholung des Grußes, und da er etwas hitzig war, schrie er: „ei so soll Dich Grobian gleich der Teufel – !“ und zog ihm eins mit der Reitgerte über. Aber siehe auf einmal wußte er nicht mehr wo er war, er ritt bis in die Nacht in der Irre herum und erst gegen Mitternacht hörte er Stimmen, er rief, es kamen Leute, er fragte, wo er sei, und erfuhr, er sei in seinem eigenen Heimathsorte, man führte ihn bis an sein Haus, und immer noch kannte er sich nicht aus, erst als seine alte Mutter mit einem Lichte vor die Thüre trat, wußte er wieder, wo er war. Der wilde Jäger hatte ihn geäfft.
Im Jahre 1626 ritt Junker Rudolf von Schmertzing, Erbsaß auf dem Hammergut Förstel, halbtrunken von Annaberg weg, ganz allein und vermeinte den geraden Weg über Schlettau auf die Scheibenbergischen Mühlen durch die untern Scheibner Räume zu nehmen. Es führte ihn aber eine Jagd von Jägergeschrei und Hundegebell, welchem er nachritt, und er verfiel mit seinem Pferde in einen Morast, darin das Pferd halb versunken stecken blieb. Er machte sich mit großer Mühe los, lief zu den benachbarten Fuhrwerken, kleidete sich aus und ließ Leute auftreiben, die das Pferd mit Stangen und Seilen wieder aus dem Morast ziehen mußten.

aus Flader „Wiesenthälisches Ehrengedächtniß“ 1719

Das himmlische Heer bei Annaberg

Einst lebte in der Gegend des heutigen Annabergs ein armer Bergmann, der reich mit Kindern, aber wenig mit zeitlichen Gütern gesegnet war und sich, weil seine Frau schwer erkrankt war, in großer Noth befand, da die Grube am südlichen Abhange des Bielberges, wo er arbeitete, unergiebig war. Wie er nun mit seinem Gevatter, dem Steiger, lange vergeblich gearbeitet hatte, fiel auf einmal ein Theil des Gesteins von selbst herab und sie sahen einen mächtigen Gang reichen Erzes vor sich, eine Stimme aber rief: „Daniel! (so hieß er nämlich) ich bin der Fürst der Berge, was Du in diesem Schacht gewinnst, ist Dein, ich schenke es Dir!“ Jener aber sprach: „ich kann es nicht annehmen, denn es gehört den Gewerken.“ Als nun der Berggeist ihn noch mehrmals aufgefordert hatte, das Gefundene zu nehmen und an seine Frau und Kinder zu denken, er aber sich immer weigerte, verschwand auf einmal der ganze Erzgang wieder. Er ging traurig nach Hause, als er aber dort ankam, kam ihm seine Frau völlig gesund entgegen und sagte, es sei ein fremder Bergmann dagewesen, habe ihr Brod, Fleisch und Wein für ihre Kinder gebracht, und sie aus einem kleinen Fläschchen trinken lassen, und seitdem seien alle ihre Schmerzen verschwunden, jener aber habe gesagt, ihre Noth werde bald aufhören, das lasse ihr der Fürst der Berge sagen. In der Nacht träumte aber der fromme Bergmann, der Berggeist stehe vor ihm und sage ihm, zum Lohn für seine Redlichkeit wolle er ihn glücklich machen, er solle früh auf den Schreckenberg gehen, dort werde er Feuer vom Himmel fallen sehen, und an dieser Stelle solle er einschlagen. Wie gedacht so geschehen, er ging in den Wald; plötzlich fuhr aus heiterem Himmel ein Blitz in eine hohe Fichte, und als jener mit der bergmännischen Ruthe an den Wurzeln des Baumes einschlug, da entdeckte er beim Nachgraben einen reichen Silbergang: den muthete er und sein Gevatter Steiger und beide wurden schnell reich, die Grube aber nannte man das himmlische Heer.

aus Dietrich „Die romantischen Sagen des Erzgebirges“

Der Panzerreiter zu Stollberg

In der Gegend des Städtchens Stollberg soll bei Nacht ein Reiter ohne Kopf in einen laugen schwarzen Mantel gehüllt auf einem schwarzen Rosse herumreiten. Vor ihm her flattert eine grau und schwarz gefleckte Krähe, welche sich auch bisweilen auf einer großen Linde in der Oberstadt sehen läßt und durch ihr mitternächtliches Krächzen Jedem, der es hört, den Tod binnen 3 Tagen verkündigen soll.

Ziehnert

Der wilde Jäger im Röhrholze bei Oelsnitz

Im Röhrholze bei Oelsnitz hält sich der wilde Jäger auf; er jagt bis hinein in die Adlermühle und läßt dabei sein Hoho ertönen. Als zwei Bürger sich einst aus diesem Walde Holz holten, ging im Walde ein großer schwarzer Hund neben ihnen her, der hatte feurige Augen, so groß wie eine Obertasse. Bei Bodenneukirchen erscheint er auch, als ein starker Mann mit hoher Mütze, hat eine Flinte im Arme und geht mit einem Gefolge von hoch- und kurzbeinigen Hunden über die Wiesen in den Wald des untern Gemeindeberges.

aus Köhler „Aberglauben und Sagen im Voigtlande“

Der wilde Jäger im Pöhlgrunde

Früher trieb der wilde Jäger sein Wesen im Pöhlholze bei Lengefeld. Einst wagte sich ein kühner Mann mit Weidmannsruf und Herumspringen unter diese Huhu schreienden unsichtbaren Jäger und kläffenden Hunde, fand aber am andern Morgen als Lohn ein Stück Aas von der Feldmeisterei an seiner Hausthüre aufgehängt.

aus Fickenwirth „Chronik von Lengefeld“ 1859

Der wilde Jäger bei Löbau

Ein Mann ging in einer stürmischen Nacht von Löbau nach Lawalde. Plötzlich hörte Wind und Regen auf und der wilde Jäger mit Hörnerschall und Hundegebell sauste über ihn dahin. Der Mann warf sich aber schnell mit dem Gesichte zu Boden, indem er der Sage eingedenk war, daß, wer den wilden Jäger gesehen, über ein Jahr todt sei, und entging so der drohenden Gefährdung.
Als ein anderes Mal im Spätherbst der Pan Dietrich seinen Umgang auf dem Löbauer Berg hielt, und über einen von Bernstadt kommenden Fuhrmann durch die Luft wegrasaunte, stürzte dem armen Mann ein Pferd nieder, und das andere erlahmte, so daß er den Morgen erwarten mußte, wo ihm erst Hülfe wurde.

aus Gräve „Lausitzer Magazin“ 1838

Der Pan Dietrich oder der wilde Jäger in der Lausitz

Der von den Deutschen zu den Wenden gekommene Dietrich von Bern zieht zu jeder Zeit nach Sonnenuntergang mit einer großen lärmenden Hundemeute unter Schießen, Heulen, Gebell, Pfeifen, Pferdegewieher und Peitschenknall in der höhern Luftregion als Jäger umher. Er sitz bald mit, bald ohne Kopf zu Pferde, und Niemand ht an sich von ihm etwas Uebles zu befürchten. Wer ihn aber neckt oder nachschreit, dem wirft er ein Stück Fleisch von gefallenem Vieh zu, was man ohne Hilfe des Scharfrichters zeitlebens nicht wieder los wird.
Bei Budissin in der Gegend des sogenannten Götterberges zieht der Pan Dietrich über den Czorneboh, man sieht ihn auch am Hochwalde, bei Rammenau in der Nähe von Bischoffswerda und im Raschützwalde, wo er über das sogenannte (muthmaßlich im 30jährigen Kriege eingegangene) wüste Dorf mit Windsausen, Schießen, Hundegebell und Menschengeschrei hinzieht.
Wenn man von dem ohngefähr 1 1/2 Stunde von Budissin gelegenen Dorfe Mönnichswalde den Fußsteig nach dem Marktflecken Wilthen hinwandelt, gewahrt man rechter Hand einen mittelmäßig hohen mit Nadelholz bewachsenen Berg, der Pan Dietrich (d.h. Herr Dietrich) genannt wird und von welchem man sich Folgendes erzählt. Es hat nämlich in den Zeiten des Faustrechts ein wilder unbändiger Raubritter, Namens Dietrich daselbst seine Burg gehabt, der die ganze Gegend umher weit und breit in Furcht und Schrecken setzte, nach vollbrachten Wegelagerungen an Sonn- und Festtagen der Jagd oblag, mit seinen wilden Gesellen schlemmte und zechte, sich weder um Gott noch Menschen bekümmerte und so Tag für Tag sein rohes ungebundenes Leben fortführte. Im Leben ging ihm Alles nach Wunsch und Willen, allein nach dem Tode folgte die Strafe, indem er mit seinen Kumpanen im Früh- und Spätjahre als scheußliche Spukgestalt bald mit, bald ohne Kopf unter Begleitung von Hunden und andern wilden Thieren unter tobenden Lärm, Heulen, Pfeifen, Pferdegewieher und Peitschenknall aus seiner verfallenen Burg, von welcher jetzt nur noch in der Runde zusammengeworfene Steine, denen man keine Bearbeitung ansieht, zeugen, auszieht, im Kreie einige Male herumfegt, und sich dann wiederum dahin zurückbegiebt und durch sein Erscheinen Krieg, Pest, Sterben, Mißwachs und andere Unglücksfälle verkündet. Dem Zuge, welchen der Tod auf einer Eule reitend beschließt, schreitet der fromme Bonifacius, der ihn oft vergeblich ermahnte, von seinem rohen wüsten Leben abzustehen, voran.
Daß er sich zuweilen auf dem Löbauer Berge sehen läßt, wissen wir, allein in einem Holze, unweit Teuplitz bei Muskau, hat der Baron von Reibnitz noch im Jahre 1799 mit seinem Jäger Stäglich den dort sehr bekannten Nachtjäger verfolgt, und ohne etwas zu sehen, Roßritte, Hundegebell, Hüfthörner und eine förmliche Jagdhetze kaum 40 Schritte vor sich bemerkt, ja 1827 hat dieselbe wilde Jagd ein dasiger Teichwächter ebenfalls vernommen.
In einer andern Gegend der Lausitz wird der wilde Jäger auch der Schömbrich genannt, wahrscheinlich im verdorbenen Volksdialect von einem bösen Gutsbesitzer aus dem Geschlechte derer von Schönberg, gerade wie man unter demselben auch einen andern berüchtigten Raubritter der Vorzeit, den sogenannten eisernen Polenz versteht (Großer erzählt in den „Lausitzer Merkwürdigkeiten“ er sei 1509 Besitzer von Senftenberg gewesen). Andere denken sich unter ihm den einstigen Besitzer einer Burg auf dem Hutberge bei Schönau, Bernhard von Biberstein (1228), den angeblichen Gründer von Bernstadt, der durch sein wüstes Leben sowohl seinen Unterthanen als überhaupt der ganzen Umgegend großen Schaden zufügte, und nach einem von ihm getragenen blauen Hute (mit diesem soll er wie seine Burg auf einem frühern Altargemälde der Schönauer Kirche dargestellt gewesen sein) vom Volke Blauhütchen genannt wird. Die von ihm zusammengebrachten Schätze mögen wohl die Braupfanne voll Gold bilden, welche angeblich im Hutberge begraben liegen soll.
Nach einer andern Lausitzer Sage wäre der Pan Dietrich ursprünglich ein frommer Herr gewesen, der einst in der Kirche lachte, weil er bemerkte, daß der Teufel hinter dem Altare die Namen der Schläfer auf einer Kuhhaut aufschrieb, sich aber an der Wand stieß und einen Zahn ausbrach, als er die zum Aufschreiben nicht ausreichende Kuhhaut mit den Zähnen mehr auseinander zu dehnen suchte. Durch dies Lachen war es um seine Frömmigkeit geschehen, denn die Sonnenstäubchen, an welchen er sonst seinen Rock aufgehängt hatte, leisteten jetzt diesen Dienst nicht mehr. Aus Verdruß steckte er Brodrinde in den Stiefel und trat mithin Gottes Gabe mit den Füßen. Bald darauf entführte ihn ein Teufelspferd und auf diesem durchstreift er noch bis jetzt zum Schrecken der Menschen die Luft.

aus Köhler „Lausitzer Magazin“ 1839
& Schneider „Begräbnisplätze in Zilmsdorf“ 1837

Die wendische Jagdgöttin

Die südlichen Wenden kennen auch eine Waldgöttin, ein schönes junges weibliches Wesen, welches mit einem Geschosse versehen in den Wäldern umherstreift und von ihnen Dziwica genannt wird. Die schönsten Jagdhunde bilden ihre Begleitung und schrecken nicht nur das Wild, sondern auch die Menschen, die sich um die Mittagszeit im Walde befinden. Daher sagt man noch jetzt zu einem, der den Mittag über sich allein im Walde aufhält: siehe zu, daß die Waldgöttin nicht zu Dir kommt! Man glaubt jedoch, daß sie auch in mondhellen Nächten in den Wäldern das Geschäft der Jagd betreibe.

aus Schmaler „Volkslieder der Wenden in der Ober- und Niederlausitz“ 1843

Die Murawa und Mara in der Lausitz

Die Murawa ist dasselbe, was man in der deutschen Mythologie den Alp nennt. Man stellt sich denselben in der Gestalt einer Frau vor, die den Menschen im Schlaf peinigt, und sich zuweilen wie eine schwere Last auf ihn legt, daß sie weder athmen noch sprechen können. Sie ist demnach eigentlich eine Nachtwandlerin, erscheint aber auch dann bei Tage, wenn es während des Sonnenscheins regnet. Zu dieser Zeit flattert sie als Schmetterling von aschgrauer Farbe, den man im Wendischen demgemäß auch Khodojta (Hexe) nennt, umher, und nimmt die Gelegenheit wahr, wie sie etwa Jemanden schaden könne. Die Mara dagegen wird bald als Krankheits-, bald als Todesgöttin betrachtet. Sie pflegt sich zu zeigen, wenn eine Seuche einer Ortschaft naht, man kann dieser aber den Eingang wehren, wenn man die Dorfmark mit drei Pflugfurchen umzieht. Auf dem Kotmar- oder Hochberge dagegen erscheint sie in anderer Weise, denn sie soll dort zur Mittagsstunde herumwandeln und Alles fruchtbar und die Kräuter wachsend machen. Daher pflegten die Wenden ehedem Wallfahrten dorthin zu unternehmen, und sie durch angezündete Feuer, gekochte Milch und Kräuter zu ernähren, damit sie ihr Vieh beschütze etc. Uebrigens kennen die Lausitzer noch eine andere Todesgöttin, die Smertnitza, die sich als blasse, aber wohlgebildete und weißgekleidete Frau denken, welche sich vor oder in einer Behausung zu zeigen pflegt, wo innerhalb dreier Tage Jemand sterben soll.

aus Schmaler „Volkslieder der Wenden in der Ober- und Niederlausitz“ 1843

Der Mühlgötz zu Plauen

In der obern Mühle zu Plauen steht schon viele, viele Jahre ein Götzenbild, wer weiß wie alt, das wohl aus der heidnischen Zeit herstammen mag (und angeblich vor langen Jahren auf dem Mühlgraben schwimmend von den Mühlknappen aufgefangen worden sein soll), gemeiniglich nur der Mühlgötz genannt. Niemand wagt es von seinem Platze zu nehmen, und wenn der Müller an ihm vorübergeht, so nimmt er bedächtig sein Käppchen ab, dieweil er den Mühlgötz für den Schutzpatron des Gewerkes hält und ihm den glücklichen Fortgang der Müllerei schuldig zu sein glaubt. Man erzählt sich aber von dem Mühlgötz folgende Sage:
Ein lustiger Müllerbursche, der dem Wasser nachging und wo möglich in jeder Mühle das Gastrecht in Anspruch nahm, kam auch in die obere Mühle zu Plauen. Sein heiteres, witziges Wesen verschaffte ihm mit leichter Mühe ein Nachtquartier, und er hatte sich an reichlicher Speiße und einem frischen Trunke schon ein Güthliches gethan, als er erst in das Innere der Mühle trat, um sich dasselbe zu beschauen. Bald blieb er vor einem braunen hölzernen Bilde stehen, das ihn mit weit herausgestreckter Zunge angrinste. „Zum Teufel, was ist denn das für ein Ding?“ fragte er den Müllerburschen, „Es ist wohl gar Euer Schutzpatron?“ „Ih bewahre, es sit ein Stück aus dem Heidenthume“, sagte der Mühlbursche, „der Mühlgötz genannt, der einst wie ein Gott verehrt wurde und auch jetzt noch von uns in Ehren gehalten wird. Versuch’s nur Einer, ihn von dem Platze zu bringen, ich mag die Prügel nicht mit ihm theilen: er läßt nicht ab, bis er wieder auf dem Platze ist“. Der lustige Mühlbursche lachte laut auf über diese Mähr, im Stillen aber dachte er bei sich: „warte nur, Götz, mit Dir ist’s aus“. Um Mitternacht als sie Alle schliefen, erhob er sich leise von dem Lager, schlich sich in die Mühle und sprach zu dem Götzen: „Herunter mit Dir, Bursche, mach keinen Lärm, daß die Müllermädel nicht erschrecken. Ich will Dich taufen, blinder Heide, im Namen Gottes.“ Mit diesen Worten warf er ihn in den Mühlgraben. Da auf einmal erhob sich ein pfeifender Sturmwind, daß das ganze Haus erbebte und die Fluth hoch aufschäumte und die Räder sich wie toll im Kreise herumdrehten. Todtenbleich vor Schreck lief der Mühlbursche schnell zurück in die Mühle, aber da gingen ihm erst die Augen über. Was nur in der Mühle war, Kübel, Säcke, Kästen, Beutel, ja selbst Müller und Knappe tanzten wie toll in der Mühle herum, darein erscholl der grelle Ton des Glöckchens. Alles krachte und donnerte, als wäre der jüngste Tag gekommen. Noch hatte der vorwitzige Bursche sich nicht vom ersten Schreck erholt, da kam ein Kübel geflogen, gerade auf ihn los, der ihm den Kopf zu zerschmettern drohte, und wie mit unsichtbarer Hand zog es ihn zum Mühlgraben hin, wo hinein er das Götzenbild geworfen hatte. Er nahm es auf den Arm und trug es alsbald auf den Platz zurück. Da standen die Räder wieder still, Säcke, Kübel und Beutel, Alles blieb an seinem Orte. In der Mühle ward es wieder still wie in der Kirche. Der Müller aber prügelte den leichtfertigen Burschen zur Thüre hinaus, und es ist bis heute kein Anderer wiedergekommen, der den Mühlgötz hätte taufen wollen.

aus „Bechstein’s Sagenbuch“