Naturgeister in Sachsen

Naturgeister in Sachsen

Sage vom Otterkönig bei Oelsnitz

Der Bd.I.S.226 mitgetheilten Sage vom „Schlangenkönig im Schlosse zu Lübbenau“, welche in anderer Version auch in der Lausitz (E. Willkomm, Sagen und Märchen aus der Oberlausitz. Hannover, 1845. Bd.II.S.195. sq.) und in Nordböhmen vorkommt (Klar’s Libussa für 1855, S.69. Nordböhmische Volksmärchen von J. Virgil Grohmann), erinnere ich mich aus meinen frühesten Knabenjahren. Wir erzählten uns dieselbe in der Schule und mancher von uns Knaben wollte den Otterkönig sammt seinem güldenen Krönlein selbst gesehen haben. Doch weicht unsre voigtländische Sage von der lübbenauer sehr ab und ähnelt mehr der böhmischen und lausitzer in ihrem Ausgang. Sie lautet kürzlich also:
Ein Ritter hatte die Krone des Otterkönigs, nach der lange sein Begehr gestanden, glücklich in seinem weißen Tüchlein und saß schon auf dem Pferde, als der Otterkönig den Diebstahl gewahrte und so laut pfiff, daß überall die Ottern hervorsprangen und dem Reiter nacheilten. Um dieser gefährlichen Verfolgung zu entgehen, sprang er in die Elster und schwamm hindurch. Wohlbehalten kam er in seiner Behausung an und freute sich des gelungenen Raubes. Als er aber in den Stall ging, um nach seinem Pferde zu sehen, wand sich aus dem Schweif desselben eine Otter los, die sich hineingehängt hatte, und stach ihn, daß er sterben mußte. So wurde der Raub des Krönleins sein Verderben.

aus der Erinnerung mitgetheilt von Julius Schanz

Der Bludnik in der Oberlausitz

Der wendische Bludnik (von blud, Irrthum) ist der deutsche Irrwisch. Er ist ein schadenfroher Gnome, der bei Nacht und Nebel die Menschen so verblendet, daß sie den Weg verlieren und irre gehen und dabei leicht in Sümpfe gerathen. Das macht er besonders mit den Vorwitzigen, die ihm muthwillig nachlaufen. Am Besten ist es daher, man sieht ihm so wenig als möglich nach und geht bedachtsam und ruhig seines Weges. Manchem jedoch, der ihm gute Worte giebt und eine annehmliche Bezahlung verspricht, hilft er den bereits verlorenen Weg wieder finden und geleitet ihn richtig nach Hause. Aber wehe dem, der ihn zum Besten hat und ihn betrügen will. Ein Verirrter versprach ihm einmal zwei Silbergroschen, wenn er ihn richtig nach Hause bringen wolle. Der Irrwisch war damit zufrieden und sie kommen auch endlich vor das Haus des Verirrten. Dieser erfreut, daß er keiner Hülfe mehr bedarf, dankt dem Führer, giebt ihm aber statt des Versprochenen eine geringe Kupfermünze. Der Irrwisch nimmt sie auch an und fragt, sich bereits entfernend, „ob sich der Geleitete nun allein nach Hause finden werde?“ Letzterer antwortet ganz fröhlich: „ja! denn ich sehe schon meine Hausthür offen.“ Daa schreitet er auf diese zu und – fällt in’s Wasser, denn es war Alles Täuschung gewesen. Besonders mit den Betrunkenen macht sich der Irrwisch seinen Spaß, wenn sie vom Jahrmarkt oder von einem Trinkgelage nach Hause gehen. Er führt sie vom Wege ab und in die Irre, und wenn sie in ihrer Trunkenheit nicht wieter gehen wollen, sondern es vorziehen, draußen ihren Rausch auszuschlafen, dann brennt er sie auf die Fußsohlen. In einigen Gegenden hat das Volk den Glauben, die Irrlichter wären die Seelen der ungetauft gestorbenen Kinder.

aus Schmaler „Volkslieder der Wenden in der Ober- und Niederlausitz“ 1843

Das Mittagsgespenst

Das Mittagsgespenst (Pschipolnitza) ist ein weibliches großgewachsenes weißgekleidetes Wesen, welches zur Mittagsstunde von 12 bis 2 Uhr auf den Feldern zu erscheinen pflegt. Es schweift mit der Sichel bewaffnet über die Felder und steht unerwartet vor denjenigen, welche es versäumt hatten, Mittags die Feldarbeit zu unterlassen und nach Hause zu gehen. Die Ueberraschten mußten ein scharfes Examen über den Anbau des Flachses und das Leinwandweben bestehen und die ganze Procedur dieses Kulturzweiges ununterbrochen und in einer solchen Ausführlichkeit vortragen, daß damit die Zeit bis zwei Uhr ausgefüllt wurde. Hatte diese Stunde geschlagen, so war es mit der Macht desselben aus und es ging von dannen. Wußten aber die Geängstigten auf ihre Fragen nicht zu antworten und das Gespräch bis zu dieser Stunde nicht im Gange zu erhalten, so schnitt sie ihnen den Kopf ab oder erwürgte sie oder verursachte ihnen wenigstens eine mit Kopfschmerzen verbundene Krankheit. Bei trübem Himmel oder zur Zeit eines herannahenden Gewitters war man vor ihr sicher. Noch jetzt spricht man im Scherz zu demjenigen, welcher während der Mittagszeit ohne Noth auf dem Felde arbeitet: „fürchtest Du nicht, daß die Mittagsfrau auf Dich kommen wird?“ und die sprichwörtliche Redensart: „sie fragt wie die Mittagsfrau“, ist im alltäglichen Gebrauch.
Dieses Gespenst pflegt besonders in der Gegend von Diehsa am Fuße des dortigen Berges den Arbeitern auf dem Felde zu erscheinen und ihnen, wenn sie nicht reinen Herzens sind, eine Masse von Fragen vorzulegen; können sie dieselben beantworten, so ist es gut, wo nicht, so thut ihnen dasselbe ein Leid an. Einst lag um die Mittagszeit ein junges Bauernmädchen hier im Grase und schlief, ihr Bräutigam saß bei ihr, allein sein Herz war anderwärts und sann, wie er sich ihrer entledigen könne. Da kam das Mittagsgespenst einhergeschritten und fing an dem Burschen Fragen vorzulegen, und soviel er auch antwortete, immer warf es neue Fragen auf, und als die Glocke eins schlug, da stand sein Herz still, das Gespenst hatte ihn zu Tode gefragt. Als aber das Mädchen die Augen aufschlug, da lag ihr Bräutigam blaß und todt neben ihr, sie weinte und klagte manchen Tag, bis man sie neben dem Jüngling, der ihre Liebe nicht verdiente, zur ewigen Ruhe einsenkte.

aus Schmaler „Volkslieder der Wenden in der Ober- und Niederlausitz“ 1843

Die Wehklage

Die Wenden stellen sich die Boze sedleschko oder Wehklage als ein Wesen in Gestalt eines schönen weißgekleideten Kindes oder auch einer weißgefiederten Henne vor und halten es für eine Art Schutzgeist, welcher eine bevorstehende Gefahr oder ein bald zu befürchtendes Unglück durch Klagen und Weinen anzeige und hierdurch davor zu warnen suche. Wenn es sich hören läßt, so kann man auch eine Frage nach dem Grunde seines Weinens thun, worauf man aber meist eine unbestimmte Antwort erhält. Als im Jahre 1766 die Stadt Muskau der unglückliche Brand betraf, soll es sich zu verschiedenen Malen in dem Hause, wo das Feuer auskam, haben hören lassen und endlich auf Befragen geantwortet haben: „es (das Unglück) wird nicht nur bei Dir sein, sondern auf allen Gassen.“ Als auch vor einigen Jahren bei der Neißemmühle daselbst drei Personen ertranken, habe es der Müller einige Tage vorher gehört, und da er gefragt, die Antwort erhalten: „es betrifft nicht Dich, sondern einen Andern“. In Wittichenau hörte man sie angeblich vor dem Brande von 1822, und in Bautzen hatte sie ihren Sitz an dem Orte, wo jetzt das Schauspielhaus steht. Dort ließ sie sich stets hören, wenn der Stadt ein Unglück drohte, so z.B. vor der Pest von 1519, 1586, 1611, 1612 und 1614, bei dem großen Brande von 1634 und bei einer Ueberschwemmung 1552, jetzt hat man sie längst nicht mehr gehört. Indessen soll dieser Schutzgeist nicht von Jedermann, sondern nur von Einigen gehört und gesehen werden, und der Glaube an denselben geht so weit, daß viele Wenden bei Abseihung eines kochenden Topfes oder Ausgießung siedenden Wassers die Vorsicht brauchen und zu sagen pflegen: „gehe weg, damit ich Dich nicht verbrühe.“ Thäten sie dieses nicht, so besorgen sie, sie möchten sich selbst verbrühen, und wenn bei Manchen Hitzblattern ausfahren oder sich ein Ausschlag zeigt, so gerathen sie auf den Gedanken, sie wären von diesem Geiste verbrühet worden. Daher sagen sie „die Wehklage hat Dich verbrüht!“ Dafür gebrauchen sie folgende Kur: Sie schmieren das Ofenloch mit Butter und sprechen: „Wehklage ich schmiere Dich, heile mich, Du hast mich verbrühet!“ Dann nehmen sie den Brausch (d.h. den Schaum) von einem kochenden Topfe und schmieren den Schaden, welches gewiß helfen soll.
Nach Winter in d. Const. Z. 1852 Nr.108 S.431. zeigt sich bei Krummhermsdorf am Unger, einer Fortsetzung des Gebirgskammes, wo der Wachberg bei Saupsdorf im Meißner Hochlande liegt, bis nach Hinterhermsdorf hin eine gespenstige Frau in blendend weißer Gestalt, die denen, welche sie erblicken, Unheil verkündet und sie warnt. Sie ist sehr schön, und wenn sie sich sehen läßt, so neigen sich die Bäume vor ihrer Schönheit zur Erde. Dies wäre auch eine Art Wehklage.

aus Hortschanski „Lausitzer Provinzialbibliothek“ 1782 und Schmaller „Volkslieder der Wenden in der Ober- und Niederlausitz“ 1843

Die böse Frau bei den Wenden

Krumm und sehr gebückt schleicht in den Dörfern am hellen Tageslicht ein kleines altes verrunzeltes und verschrumpftes Weib, mit triefenden Augen, großem Kopfe, warzigem Gesichte und mächtigem Höcker auf dem Rücken an einer Krücke umher, kriecht in Keller und Scheunen – da wo sie weilt, melken Ziegen und Kühe Blut, ergiebt sich keine Butter, verdirbt der Käse, schlickert die Milch, bekommen die Schafe Pocken, Hunde die Räude, der Wurm kommt ins Korn, das Gespinste wird von Mäusen zerfressen; kurz es waltet Unfall, wohin ihr Auge blickt und ihr Fuß tritt. Erblickt sie ein Kind unter einem Jahre, so beschreit sie es und es bekommt Frieseln, Ausschlag, geschwollenen Leib etc. Die Wenden nennen es das böse Weib (Slaczona).
Kräftige und furchtlose Männer dieser Nation haben schon mehrere Male, wenn sie es gewahrten, ihre Fäuste gegen selbiges in Bewegung setzen wollen, allein es ist mit einem schallenden Gelächter vor ihren Augen verschwunden und die Frevlerhand erkrankte.

aus Gräve „Volkssagen aus der Lausitz“

Der Drache zu Nickeritz und der Kobold zu Pausitz bei Jahnishausen.

Im November 1674 haben die Eheleute Hans Buckerdt und seine Frau aus Nickeritz bei den Gerichten zu Jahnishausen sich beklagt, daß ihre Nachbarn sie beschuldigten, sie hätten den Drachen, und daß sie eines Morgens hätten ihm eine zu heiße Suppe vorgesetzt, darüber sey er böse geworden, habe das Haus angesteckt und sey dann in Gestalt eines hellen Scheines fortgeflogen. Zu Pausitz bei Riesa hat sich um 1696 ein Kobold aufgehalten, der in dem Hause des Viertelhüfners Hans Preußiger vielerlei Unfug verübte. Er verschleppte Lebensmittel und Wäsche aus dem Hause und versteckte sie an verschiedenen Orten, Butter ballte er zu Klumpen und vergrub sie unter die Spreu, Mehl-und Getreidesäcke stürzte er um, wenn gebacken werden sollte, verdarb er den Sauerteig durch Erde und Spreu, in der Küche füllte er die Kochtöpfe am Feuer mit Kohlen und Asche, verunreinigte die Speisen und Trinkgeschirre aufs Eckelhafteste, machte unsichtbar die Türen auf und zu, riß in der Nacht den Frauen die Betten und Hemden vom Leibe, nur gegen die 13jährige Tochter Preußigers benahm er sich besser, ja er sagte ihr, eine frühere Kinderfrau eines Herrn von Plötz, die Dörschnitze Anna, habe ihn in einem Korbe ins Haus gebracht. Er saß zuweilen in der Ofenhölle in einem weißen Hemde, das am Halse und Aermeln mit rothen Bändern geschmückt war, hatte graue neue Strümpfe und alte Schuhe an, sein mit großen Glotzaugen und im Genicke mit einen Busch gelber Haare besetzter Kopf hing hinten über. Er schenkte dem Kinde neue Spindeln und schöne Birnen, als er aber einmal aus einem Milchasch getrunken hatte und dieser deshalb eingeschlossen ward, stach er die Kühe mit einer Mistgabel in die Beine. Von einem Herrn von Carlowitz mit Prügeln bedroht, verschwand er endlich.

aus Weber „Aus vier Jahrhunderten“

Das Wappen der Grafen von Lynar oder die Sage vom Schlangenkönig im Schlosse zu Lübbenau

Im Schlosse und Dorfe Lübbenau, welches den Grafen Lynar gehört, die aus Toscana stammen, sowie in der hier in viele Arme sich spaltenden Spree giebt es viele Wasserschlangen, die zwar unschädlich sind, aber den Kühen die Milch aussaugen sollen. Jedes Haus hat gewöhnlich zwei Hausschlangen, eine männliche und eine weibliche, die sich nicht eher sehen lassen, als bis der Hausvater oder die Hausmutter stirbt, wo sie dann ihr Loos theilen. Dieses Schlangenheer hat aber einen König zum Oberhaupt, eine sehr große, starke und lange Schlange, welche auf dem Kopfe zwei gebogene Haken hat, mit denen sie ihre elfenbeinähnliche Krone trägt. Ein rüstiger Fischer, der noch in dem ersten Viertel dieses Jahrhunderts lebte, fischte einst in einem alten mit Weiden bewachsenen Graben unweit des Schlosses an der sogenannten Schnecke, und hat zu seinem größten Erstaunen, indem er das Netz herauszieht, eine gewaltig große Schlange mit etwas Weißem auf dem Haupte gefangen. Der Gewohnheit der dortigen Einwohner nach, sogleich alle Schlangen die ihnen in den Weg kommen, zu morden, nimmt er das Ruder, oder wie es in der Landessprache heißt, das Rudel und sticht die Schlange an. Diese erhebt ein lautes Pfeifen, im Augenblick sieht er sich von einem Haufen von Schlangen belagert, die sich in seinen aus einem einzigen Eichenstamme ausgehöhlten Kahn (dergleichen die Fischer hier gebrauchen) drängen und sein Ruder bis an die Spitze umringeln. Er geräth in Angst und Schrecken, springt aus dem Kahne ans Ufer und will davon eilen, aber die Schlangen schießen ihm nach. Zum Glück fällt ihm ein, seine Jacke auszuziehen und diese von sich zu werfen, das thut er und entkommt. Die Schlangen hatten sich auf sein Kleidungsstück als den vermeinten Feind geworfen und es durch und durch zernagt und bis in den faulen Graben mit geschleppt, wo man es nach einigen Tagen in diesem Zustande fand. Nun ist es aber eine alte Sage, daß, wer sich der Krone des Schlangenkönigs bemächtigen könne, der gelange zu sehr großem Reichtum, die Krone selbst sei von unschätzbarem Werthe, ja man könne sogar auf diese Art die Schlangen vermindern, denn die Krone sei nur einzig vorhanden und erbe auf die erwählten Könige. Er stieg zu Pferde, um bei drohender Gefahr desto schneller den rächenden Schlangen enteilen zu können. Auf einem grünen Platze bei dem Schlosse breitete er an einem schönen Maitage ein feines weißes großes Tuch aus, denn man wußte, der Schlangenkönig lege gern seine Krone auf reinliche weiße Sachen, wenn er ungestört mit seinen Genossen spielen wollte. Kaum ist das Tuch ausgebreitet, so hält er mit dem Rosse nicht weit davon hinter einem Erlengebüsch an der Schnecke, und zu seiner Freude sieht er den Schlangenkönig mit Gefolge herbeikommen, und seine Krone auf das weiße Tuch legen. Sie begeben sich sodann in vollem Zuge nach der Eisgrube, um auf dem Berge in der Sonne zu spielen. Der Reiter eilt sacht mit dem Rosse hinzu, nimmt sein Tuch mit der Krone an den vier Zipfeln zusammen und jagt im Fluge davon. Im Augenblick hört er ein durchdringendes Schlangenpfeifen. Er ist aber mit dem Rosse zu schnell und kommt bald auf das feste Land und Pflaster in die Stadt. Niemandem erzählte er von seinem Schatze, aber seit dieser Zeit ward er ein steinreicher Mann und noch heute ist sein Haus eins der reichsten Kaufmannshäuser in der Stadt, obgleich vielleicht nun die Familie selbst sich der Sage nicht mehr zu erinnern weiß. Der oben erwähnte Fischer fing freilich den Schlangenkönig bloß mit etwas Weißem auf dem Haupte. Es waren also wohl nach der Sage die beiden Haken, in denen er sonst die Krone trug. Seitdem haben sich auch die Schlangen beträchtlich vermindert, und auch hierin würde also die Sage erfüllt sein. Das Wappen der Grafen zu Lynar führt noch bis auf diese Stunde eine gekrönte Schlange oder einen Schlangenkönig im Schilde nebst einer Mauer, und soll dieses Bild eben bedeuten, entweder daß ihnen derselbe mit seinem Volke hold und gewärtig sei, oder das sie von jenen klugen Manne, der dem Schlangenkönig seine Krone entführte, abstammen.

Büsching „Wöchentliche Nachrichten für Freunde der Geschichte,
Kunst und Gelahrtheit des Mittelalters“ 1817

Geist Mützchen

Nicht weit von Freiberg ist ein Gehölz, das heißt der heimische Busch, und in demselben hauste vordem ein Kobold, den die Leute Mützchen nannten und damit an den bekannten Kobold Hütchen erinnerten. Geist Mützchen gehörte zu jenen gespenstigen Hockelmännchen, die sich den Reisenden und solchen Leuten, die im Walde Geschäfte hatten, aufhockten und sich weite Strecken tragen ließen, bis die Leute ganz abgemattet waren und fast odemlos umsanken. Wenn sie ihn nun fast nicht mehr tragen konnten, hüpfte er von ihrem Rücken plötzlich weg, schnellte auf einen Baum und schlug ein schmätterndes Gelächter auf. Dies arge Possenspiel trieb Geist Mützchen absonderlich im Jahre 1573 und sind viele Personen durch sein Aufhockeln krank geworden. Einst fand eine Butterhökin einen prächtigen Käse im heimischem Busch. Des Fundes froh und überrechnend was sie dafür lösen würde, legte sie ihn in ihren Tragkorb, da wurde der Korb so schwer, so schwer, daß sie endlich von der Last niedergezogen ward und in die Knie sank und den Korb abwarf. Da rollte ein Mühlstein aus dem Korbe und in die Büsche, und aus den Büschen schaute Mützchen mit gellendem Gelächter, daher man auch von einem hell und krell Lachenden sagt: der lacht wie ein Kobold. Den Namen aber hatte Mützchen von seiner Nebelkappe, die ihn unsichtbar machte, und wenn er sie abthat, so sah man ihn, und dann setzte er sie oft plötzlich wieder auf und war im Nu verschwunden. Davon ist das Sprichwort entstanden, Wenn Jemand etwas sucht und es an einem Orte gesehen zu haben glaubt und es doch nicht finden kann, daß man sagt: je da sitzt er und hat Mützchen auf!- nämlich der Zwerglein unsichtbar machendes Nebelkäppchen.

Bechstein „Deutsches Sagenbuch“

Das Jüdel

Man kennt im ganzen Erzgebirge ein Kindergespenst, genannt Jüdel oder Hebräerchen (richtiger: das Gütel von“gut“) und glaubt, daß, wenn die kleinen Wochenkinder während des Schlafes die Augen halb aufthun, die Augäpfel in die Höhe wenden, als wollten sie etwas sehen, dabei zu lächeln scheinen und dann wieder fortschlafen, manchmal auch zu weinen anfangen, daß das Jüdel mit ihnen spiele. Damit nun aber die Kinder von demselben nicht ferner beunruhigt werden, so kauft man ein kleines neues Töpfchen samt einen Quirlchen, und zwar so theuer, als man es bietet, ohne zu handeln, dahinein wird etwas von dem Bade des Kindes gegossen, und es dann auf den Ofen gestellt, und man sagt, das Jüdel spiele damit und plätschere das Wasser so lange heraus, bis nichts mehr im Töpfchen sei. Andere blasen Eier aus den Schalen in des Kindes Brei und der Mutter Suppe und hängen solche hohle Eierschalen samt etlichen Kartenblättern und anderen leichten Sachen mehr mit Zwirn an die Wiege des Kindes, daß es fein frei schwebe. Wenn nun die Thüre aufgemacht wird, oder es geht oder bewegt sich Jemand in der Stube, also, daß die am Faden schwebenden Sachen sich in der Luft bewegen, da sagen die Weiber, man solle nur Acht geben, wie das Jüdel mit den Sachen an der Wiege spiele. Wenn zuweilen die kleinen Kinder rothe Flecke haben, da sagt man, das Jüdel habe sie verbrannt; dann soll man das Ofenloch mit einem Speckschwärtlein schmieren. Das Jüdel spielt aber auch des Nachts mit den Kühen, dann werden sie unruhig und brummen, macht man aber Licht an so sieht man nichts. Ebenso geht es an die Pferdestelle und fängt an die Pferde des Nachts zu striegeln, dann werden dieselben wild, beißen und schlagen um sich, ohne daß sie sich des Gespenstes, welches auf ihnen hockt, entledigen können. Um das Jüdel als Hausgeist zu unterhalten, muß man ihm Bogen und Pfeile und Spielsachen in den Keller und in die Scheune legen, damit es damit spiele und Glück in’s Haus bringe. Wenn aber die Wöchnerin vor demselben ganz sicher sein soll, so muß ein Strohhalm aus ihrem Bette an jede Thüre gelegt werden, dann kann weder das Jüdel noch ein anderes Gespenst herein.

„Gestriegelte Rockenphilosophie“ 1759

Die Klagemutter, die Schretzelein, die Druden und die Feuermänner bei der Stadt Hof

In der Nähe der Stadt Hof wohnten die Klagemütter. Es sind dieses alte Weiber, die an düstern Plätzen wohnen, sich aber Niemanden zu nahe kommen lassen, ihre Farbe ist schwarz und ihre Beschäftigung besteht in Wehklagen und Heulen. In der Stadt Hof selbst wohnen die Schretzelein oder Schretel, namentlich in den Ställen, wo sie in Gestalt kleiner hurtiger Thiere Unfug treiben. Hören und sehen sie, daß das Gesinde das Rindvieh schlecht behandelt, flucht und schimpft, dann sind sie oben auf, verderben das Futter und machen das Vieh unruhig, so daß es nicht gedeiht. In derselben Gegend treiben auch die Druden ihr Unwesen. Es sind diese eine Art Hexen, welche sich bei Nacht in die Schlafkammern schleichen, sich diejenigen Schläfer, welche auf dem Rücken liegen, aussuchen, sich auf die Brust derselben setzen und sie so stark drücken, daß sie sich weder rühren noch um Hilfe rufen können. Dieselben tauschen auch, wenn sie in ein Haus kommen, wo eine Wöchnerin liegt, sobald diese schläft und allein ist, was man deshalb im ganzen Voigtlande auch überall ängstlich vermeidet, die wohlgebildeten Kinder gegen ihre eigenen ungestalteten, die sogenannten Wechselbälge, um. In derselben Gegend lassen sich auch bei Nacht im Freien an sumpfigen öden Stellen feurige Männer sehen, welche die Wanderer vom rechten Wege abzulenken suchen.

aus Ernst „Geschichte und Beschreibung des Bezirkes und der Stadt Hof“ 1866

Der Hehmann bei Süssebach

Im Walde zwischen Süssebach und den Schafhäusern ließ sich sonst am Abend eine Stimme hören, wie eine tüchtige Mannsstimme, welche immer „Heh!“ rief, weshalb die Leute sagten: „Der Hehmann läßt sich hören.“ Drei Lauterbacher wollten sich einmal in der Nacht in jenem Walde etwas Holz holen, da ließ sich der „Hehmann“ hören und sie kehrten wieder um. So ging auch der alte Bauer Höfer eines Abends von Süssebach nach den Schafhäusern, den verfolgte der Hehmann auch mit seinem Rufen, ganz heran an ihn kam er aber nicht.

aus Köhler „Volksbrauch, Aberglauben, Sagen und Ueberlieferungen im Voigtlande“ 1867

Das Heugütel

Gewisse Leute hatten einmal sehr mageres Vieh, bis sie ein Heugütel bekamen. Da wurde es mit dem Vieh besser. Das Heugütel aber ist der Geist eines ungetauften Kindes. Sie wußten, daß sie en Heugütel im Hause hatten, denn sie streuten Asche auf den Boden unter dem Dache und da sahen sie seine Fußstapfen. Als Weihnachten kam, sagten sie: „nun wollen wir doch auch dem Heugütel etwas zum heiligen Christ geben!“ und sie gaben ihm ein Röckchen und ein Jäckchen. Da sagte das Heugütel: „nun habt Ihr mir ein Röckchen und ein Jäckchen gegeben, das ist zu viel, nun muß ich ausziehen!“ Und das Heugütel zog fort und das Vieh wurde wieder mager. Alte Leute im Voigtlande glauben noch an das Heugütel und dringen darauf, daß neugeborene Kinder schnell getauft werden, damit sie nicht zu Heugüteln werden. Auch findet man die Redensart, wenn ein Kind seine kleinen Fußtapfen hinterläßt: „Du bist ja ein Heugütel.“ Das Heugütel ist dasselbe Wesen wie das oben erwähnte Gütel oder Jüdel des Erzgebirges. In Oberösterreich heißt Göd das Taufkind und im Oberungarischen ist Gödchen = Pathenkind. Im Reußischen kennt man das sogenannte Futtermännchen statt des Heugütels.

aus Köhler „Aberglauben im Voigtlande“ 1867

Das Erdhühnchen

In Oelsnitz und der Umgebung zeigt sich das sogenannte Erdhühnchen, wenn Jemand sterben soll. Einst war ein Knabe in Oelsnitz mit seinem kranken Schwesterchen Nachmittags allein in der Stube. Da lief auf einmal ein Vogel, grau, gerade wie ein Lachtäubchen, über die Stube unter das Bett und ließ ein „Gück, gück, gück, gück“ schnell nacheinander hören. Am folgenden Morgen war das Schwesterchen todt. Der Vogel war ein Erdhühnchen gewesen und hatte den Todesfall angezeigt. Ein Einwohner von Unterhermsgrün sah die Erdhühnchen vor dem Tode seiner Frau. Das geschah jedoch, als er noch in Freiberg bei Adorf lebte. Er befand sich Nachmittags 4 Uhr in der Stube, als auf einmal zwei Erdhühnchen kamen und ihr „Lück, lück, lück“ hören ließen; sie waren so groß wie Staare und etwas dunkler wie eine Lachtaube. In Bodenneukirchen zeigten Erdhühnchen den Tod dessen, dem sie erschienen waren, an.

aus Köhler „Aberglauben im Voigtlande“ 1867

Das Waldweibchen in Steinbach

In den Wäldern bei Steinbach und Grumbach ohnweit Jöhstadt läßt sich oft ein altes Mütterchen sehen, das ist das Waldweibchen. Es thut niemanden etwas zu Leide, ja es hilft sogar den Leute bei der Arbeit. Man erzählt, das es vom Satan oder dem wilden Jäger gejagt werde und auf seiner Flucht einen Stock, in dem die Holzhauer ein Kreuz gehauen, suche, sich darauf setze und alsdann erlöst werde. Vor alten Zeiten ist es in den genannten Dörfern in die Häuser gekommen, hat sich an den Ofenheerd gesetzt und gesponnen, wenn es aber das Gespinst herein in die Stube geworfen, dann hat man ihm zu essen geben müssen. So hat man im Jahre 1681 bei dem Beginn der Pest auf dem Pfannenstiel, dem sogenannten Schönburgischem hohen Wald, ein Holzweib gesehen, welches einen großen Schneefall, schnelle Wasserfluten und hitzigen Sommer angedeutet, darauf viele Menschen und Vieh sterben würden. Im Jahre 1633 hat bei Steinbach am Aschermittwoche ein Bauer einen Baum im Walde gefällt, und in dem der Baum im Falle ist, haut er nach der Holzhacker Gebrauch ein Kreuz hinein. Sogleich kommt ein gejagtes Weiblein und bleibt an dem mit dem Kreuze gezeichneten Baume stehen, da es denn sitzen geblieben. Unterdessen füllt es dem Holzhacker seinen Korb mit Spähnen, er aber schüttete die Spähne wieder aus, und da von ohngefähr ein Spähnchen hängen geblieben, findet er, als er nach Hause kommt einen ganzen Thaler. Er geht alsobald wieder in den Wald, in der Hoffnung, solcher Thalerspähne viele aufzulesen, aber vergebens. Doch weil der Mann damals in kurer Zeit zu Mitteln gekommen, hat man vermuthet,er müsse doch etwas gefunden haben. Von dieser Zeit an geht Niemand gern am Aschermittwoch daselbst in’s Holz, in der Meinung, der Teufel jage das Holzweibchen am Aschermittwoch.

Lehmann „Obererzgebirgisches deutsches Sagenbuch