V o l u s p a
Der Seherin Gesicht / Der Seherin Weissagung
Der Sammler des Codex Regius hat dieser Dichtung die erste Stelle gegeben, und als der gelehrte Isländer Snorri um 1220 seine Mythenlehre schuf, nahm er das Fachwerk von diesem dichtenden Vorgänger.In der Tat fühlen wir uns hier auf hoher Warte und überschauen das Geschick der Götter- nicht des Menschenvolkes! – von der Urzeit bis in die ferne Zukunft. Weltschöpfung, Balders Tod, Götteruntergang und Neue Erde: zwischen diese Pfeiler fügt sich das übrige ein. Der Zukunft, den letzten Dingen, fällt am meisten Raum zu: aus zerstreuten Einzelsagen baut sich eine Art Geschichte des Weltendes auf.
Diesen vielgliedrigen Stoff fassen einige fünfzig Strophen. Das war nicht zu erreichen mit dem gewohnten eddischen Erzählen, das in lebhaften Redeauftritten vorschreitet. Unser Lied handhabt eine eigenartige Kunst: Bilder reiht es auf, ruhende und bewegte, mit aussergewöhnlich anschauungweckender Kraft der sparsamen Zeilen; auch der mythischen Landschaft gibt es Gestalt: Gesätze wie 5, 49 und namentlich 51 sind ohne Gegenstücke; und es weiss die Bilderreihe in die seherhafte Stimmung zu tauchen, die den Hörer empfänglich macht.
Das ganze gibt sich als Ansprache einer idealisierten Seherin. Sie teilt das Wissen ihrer riesischen Verwandten, nicht deren Götterhass: vor Odin als ihrem Meister hat sie sich bewährt, in Odins Auftrag spricht sie zu den Menschen als einer aufhorchenden Thinggemeinde. Die kehrreimhaften Worte, die uns an die Sprecherin immer wieder erinnern, tragen viel zu dem prophetischen Klange bei.
An der Seherin Gesicht als einem Gipfel altgermanischer Dichtkunst können wir uns freuen, auch wenn wir uns eingestehn, dass uns recht vieles halbklar bleibt.
Heusler
Original | Genzmer | Simrock | ||
1 | Hljóðs bið eg allar helgar kindir, meiri og minni mögu Heimdallar. Viltu að eg, Valföður, vel fyr telja forn spjöll fira, þau er fremst um man. |
Gehör heisch ich heilger Sippen, hoher und niedrer Heimdallssöhne; du willst, Walvater, daß wohl ich künde, was alter Mären der Menschen ich weiß. |
Allen Edlen Gebiet ich Andacht, Hohen und Niederen Von Heimdalls Geschlecht; Du willst, daß ich, Walvater, dir würdig künde Die ältesten Sagen, der ich mich entsinne. |
1 |
2 | Eg man jötna ár um borna, þá er forðum mig fædda höfðu. Níu man eg heima, níu íviði, mjötvið mæran fyr mold neðan. |
Weiß von Riesen, weiland gebornen, die einstmals mich auferzogen; weiß neun Heime, neun Weltenreiche, des hehren Weltbaums Wurzeltiefen. |
Riesen acht ich Die Urgeborenen, Die mich vor Zeiten erzogen haben. Neun Welten kenn ich, neun Äste weiß ich, Den starken Stamm Im Staub der Erde. |
2 |
3 | Ár var alda, það er ekki var, var-a sandur né sær né svalar unnir; jörð fannst æva né upphiminn, gap var ginnunga en gras hvergi, |
Urzeit war es, da Ymirltauste: nicht war Sand noch See noch Salzwogen nicht Erde unten noch oben Himmel, Gähnung grundlos, doch Gras nirgend. |
Einst war das Alter, da Ymir lebte: Da war nicht Sand nicht See, nicht salzge Wellen, Nicht Erde fand ich Noch Überhimmel, Gähnender Abgrund, und Gras nirgend. |
3 |
4 | áður Burs synir bjöðum um ypptu, þeir er Miðgarð mæran skópu; sól skein sunnan á salar steina, þá var grund gróin grænum lauki. |
Bis Burs Söhne den Boden hoben, sie, die Midgard, den mächtgen, schufen: von Süden schien Sonne aufs Saalgestein; grüne Gräser im Grund wuchsen. |
Bis Burs Söhne Den Boden erhuben, Sie die den mächtigen Midgard schuffen. Die Sonne von Süden Schien auf die Felsen Und dem Grund entgrünte grüner Lauch. |
4 |
5 | Sól varp sunnan, sinni mána, hendi inni hægri um himinjöður; sól það né vissi hvar hún sali átti, stjörnur það né vissu hvar þær staði áttu, máni það né vissi hvað hann megins átti. |
Von Süden die Sonne, des Monds Gesell, schlang die Rechte um den Rand des Himmels: die Sonne kannte ihre Säle nicht; die Sterne kannten ihre Stätte nicht; der Mond kannte seine Macht noch nicht. |
Die Sonne von Süden, des Mondes Gesellin, Hielt mit der Rechten Den Himmelsrand. Sonne wußte nicht, wo sie Sitz hätte, Mond wußte nicht, was er Macht hätte, Die Sterne wußten nicht, wo sie Stätte hätten. |
5 |
6 | Þá gengu regin öll á rökstóla, ginnheilög goð, og um það gættust; nótt og niðjum nöfn um gáfu, morgun hétu og miðjan dag, undorn og aftan, árum að telja. |
Zum Richterstuhl gingen die Rater alle, heige Götter, und hielten Rat: für Nacht und Neumond wählten sie Namen, benannten Morgen und Mittag auch, Zwielicht und Abend, die Zeit zu messen. |
Da gingen die Berater Zu den Richterstühlen, Die hochheilgen Götter, und hielten Rat. Der Nacht und dem Neumond Gaben sie Namen, Hießen Morgen Und Mitte des Tags, Under und Abend, die Zeiten zu ordnen. |
6 |
7 | Hittust æsir á Iðavelli, þeir er hörg og hof hátimbruðu; afla lögðu, auð smíðuðu, tangir skópu og tól gerðu. |
Die Asen eilten zum Idafeld, die Heiligtümer hoch erbauten; sie setzten Herde, hämmerten Erz; sie schlugen Zangen, schufen Gerät. |
Die Asen einten sich Auf dem Idafelde, Altar und Heiligtum Hoch sich zu bauen. [Übten die Kräfte alles versuchend,] Erbauten Essen Und schmiedeten Erz, Schufen Zangen Und schön Gezäh. |
7 |
8 | Tefldu í túni, teitir vóru, var þeim vettergis vant úr gulli, uns þrjár kómu þursa meyjar ámáttkar mjög úr Jötunheimum. |
Sie pflogen heiter im Hof des Brettspiels- nichts aus Golde den Göttern fehlte-, bis drei gewaltge Weiber kamen, Töchter der Riesen, aus Thursenheim. |
Sie saßen im Hofe heiter beim Brettspiel Und darbten goldener Dinge nicht. Bis drei der Thursen- Töchter kamen Reich an Macht, aus Riesenheim. |
8 |
9 | Þá gengu regin öll á rökstóla, ginnheilög goð, og um það gættust, hver skyldi dverga dróttir skepja úr Brimis blóði og úr Bláins leggjum. |
Zum Richtstuhl gingen die Rater alle, heilge Götter, und hielten Rat, wer der Zwerge Schar schaffen sollte aus Brimirs Blut und Blains Knochen |
Da gingen die Berater Zu den Richterstühlen, Die hochheilgen Götter, und hielten Rat, Wer schaffen sollte Der Zwerge Geschlecht Aus Brimirs Blut Und Blains Gliedern. |
9 |
10 | Þar var Mótsognir mæstur um orðinn dverga allra, en Durinn annar; þeir mannlíkun mörg um gerðu dvergar úr jörðu, sem Durinn sagði. |
Motsognir ward der mächtigste da unter den Zwergen, der zweite Durin; die machten manche menschenäh Rich, wie Durin es hieß, die Höhlenzwerge. |
Da ward Modsognir Der mächtigste Dieser Zwerge, und Durin nach ihm. Menschenbilder Machten sie viele, Die Zwerge, von Erde, wie Durin angab. |
10 |
11 | Nýi og Niði, Norðri og Suðri, Austri og Vestri, Alþjófur, Dvalinn, Bívör, Bávör, Bömbur, Nóri, Án og Ánar, Ái, Mjöðvitnir. |
[Nyi und Nidi, Nordri und Sudri, Austri und Westri, Althiofr, Dwalin, Nar und Nain, Nipingr, Dain, Bifur, Bafur, Bömbur, Nori, An und Anarr, Ai, Miödwitnir. |
11 | |
12 | Veigur og Gandálfur, Vindálfur, Þráinn, Þekkur og Þorinn, Þrár, Vitur og Litur, Nár og Nýráður, nú hefi eg dverga, — Reginn og Ráðsviður, — rétt um talda. |
Weigr, Gandalfr, Windalfr, Thrain, Theckr und Thorin, Thor, Witr und Litr, Rar und Ryradr; Nun sind die Zwerge, Regin und Radswidr, richtig genannt. |
12 | |
13 | Fíli, Kíli, Fundinn, Náli, Hefti, Víli, Hannar, Svíur, Frár, Hornbori, Frægur og Lóni, Aurvangur, Jari, Eikinskjaldi. |
Fili, Kili, Fundin, Rast, Hepti, Wili, Hanar, Swior, Billingr, Bruni, Bildr, und Buri, Frax, Hornboldi, Frägr und Loni, Aurwangr, Fari, Eikinskjaldi. |
13 | |
14 | Mál er dverga í Dvalins liði ljóna kindum til Lofars telja, þeir er sóttu frá salar steini Aurvanga sjöt til Jöruvalla. |
Zeit ist’s, die Zwerge Von Dwalins Zunft Den Leuten zu leiten Bis Lofar hinauf, Die aus Gestein Und Klüften strebten Nach Aurwangs Sitzen, zum Erdenfeld. |
14 | |
15 | Þar var Draupnir og Dólgþrasir, Hár, Haugspori, Hlévangur, Glói, Skirvir, Virvir, Skáfiður, Ái. |
Da war Draupnir Und Dolgthrasir, Har, Haugspori, Hlewangr, Gloi, Skirwir, Wirwir, Skafidr, Ai, Alfr und Yngwi, Eikinskinskjaldi. |
15 | |
16 | Álfur og Yngvi, Eikinskjaldi, Fjalar og Frosti, Finnur og Ginnar; það mun upp meðan öld lifir, langniðja tal Lofars hafað. |
Fialar und Frosti, Finnr und Ginnar, Heri, Höggstari, Hliodolfr, moin. So lange Menschen Leben auf Erden, Wird zu Lofar der Zwerge Geschleicht geleitet.] |
16 | |
17 | Uns þrír kómu úr því liði öflgir og ástkir æsir að húsi, fundu á landi lítt megandi Ask og Emblu örlöglausa. |
Bis drei Asen aus dieser Schar, stark und gnädig, zum Strand kamen: sie fanden an Land, ledig der Kraft, Ask und Embla, ohne Schicksal. |
Gingen da dreie Aus dieser Schar, Mächtige, milde Asen zumal, Fanden am Ufer Unmächtig Ask und Embla Und ohne Bestimmung. |
17 |
18 | Önd þau né áttu, óð þau né höfðu, lá né læti né litu góða; önd gaf Óðinn, óð gaf Hænir, lá gaf Lóður og litu góða. |
Nicht hatten sie Seele, nicht hatten sie Sinn, nicht Lebenswärme noch lichte Farbe; Seele gab Odin, Sinn gab Hönir, Leben gab Lodur und lichte Farbe. |
Besaßen nicht Seele, und Sinn noch nicht, Nicht Blut noch Bewegung, noch blühende Farbe. Seele gab Odin, Sinn gab Hönir, Blut gab Lodur und blühende Farbe. |
18 |
19 | Ask veit eg standa, heitir Yggdrasill, hár baðmur, ausinn hvíta auri; þaðan koma döggvar þær er í dala falla, stendur æ yfir grænn Urðarbrunni. |
Eine Esche weiß ich, sie heißt Yggdrasil, die hohe, benetzt mit hellem Nass: von dort kommt der Tau, der in Täler fällt; immergrün steht sie am Urdbrunnen. |
Eine Eiche weiß ich, heißt Yggdrasil, Den hohen Baum netzt Weißer Nebel; Davon kommt der Tau, der in die Täler fällt. Immergrün steht er Über Urds Quelle. |
19 |
20 | Þaðan koma meyjar margs vitandi þrjár úr þeim sæ, er und þolli stendur; Urð hétu eina, aðra Verðandi, skáru á skíði, Skuld ina þriðju. Þær lög lögðu, þær líf kuru alda börnum, örlög seggja. |
Von dort kommen Frauen, vielwissende, drei, aus dem Born, der unterm Baume liegt: Urd heißt man eine, die andre Werdani- sie schnitten ins Scheit-, Skuld die dritte; Lose lenkten sie, Leben koren sie Menschenkindern, Männergeschick. |
Davon kommen Frauen, vielwissende, Drei aus dem See Dort unterm Wipfel. Urd heißt die eine, die andre Werdandi: Sie schnitten Stäbe; Skuld hieß die dritte. Sie legten Lose, das Leben bestimmten sie Den Menschenkindern, der Männer Schicksal. |
20 |
21 | Það man hún fólkvíg fyrst í heimi, er Gullveigu geirum studdu og í höll Hárs hana brenndu, þrisvar brenndu, þrisvar borna, oft, ósjaldan; þó hún enn lifir. |
Da kam zuerst Krieg in die Welt, als Götter Gullweig mit Geren stießen und in Heervaters Halle brannten, dreimal brannten die dreimal geborne. |
Da wurde Kampf In der Welt zuerst, Da sie mit Geren Gullweig stießen Und sie in Hars Halri verbrannten, Dreimal verbrannten Die dreimal Geborene, Oft, unselten, doch ist sie am Leben. |
25 |
22 | Heiði hana hétu hvar er til húsa kom, völu velspáa, vitti hún ganda; seið hún hvar er hún kunni, seið hún hugleikin, æ var hún angan illrar brúðar. |
Man hieß sie Heid, wo ins Haus sie kam, das weise Weib; sie wußte Künste: sie behexte Kluge; sie behexte Toren; immer ehrten sie arge Frauen. |
Heid hieß man sie, wohin sie kam, die Zukunftwissende; Zauber trieb sie. Seidkunst konnte sie, Seidkunst übte sie, Übler Leute Liebling allezeit. |
26 |
23 | Þá gengu regin öll á rökstóla, ginnheilög goð, og um það gættust hvort skyldu æsir afráð gjalda eða skyldu goðin öll gildi eiga. |
Zum Richtstuhl gingen die Rater alle, heilge Götter, und hielten Rat, ob Zins die Asen zahlen sollten oder alle Götter Opfer haben. |
Da gingen die Berater Zu den Richterstühlen, Die hochheilgen Götter, und hielten Rat, Ob die Asen sollten Abgaben zahlen Oder alle Götter Opfer empfahn. |
27 |
24 | Fleygði Óðinn og í fólk um skaut, það var enn fólkvíg fyrst í heimi; brotinn var borðveggur borgar ása, knáttu vanir vígspá völlu sporna. |
Den Ger warf Odin ins Gegnerheer: der erste Krieg kam in die Welt; es brach der Bordwall der Burg der Asen, es stampften Wanen streitkühn die Flur. |
Odin schleuderte Das Geschoß in das Heer: Da wurde Kampf In der Welt zuerst. Gebrochen war Der Burgwall der Asen, Schlachtkundge Wanen Stampften das Feld. |
28 |
25 | Þá gengu regin öll á rökstóla, ginnheilög goð, og um það gættust hverjir hefði loft allt lævi blandið eða ætt jötuns Óðs mey gefna. |
Zum Richtstuhl gingen die Rater alle, heilge Götter und hielten Rat, wer ganz die Luft mit Gift erfüllt, Ods Braut verraten Riesensöhnen. |
Da gingen die Berater zu den Richterstühlen, Die hochheilgen Götter, und hielten Rat, Wer mit Frevel hätte Die Luft erfüllt, Und dem Riesenvolk Ods Braut gegeben? |
29 |
26 | Þór einn þar vó þrunginn móði, hann sjaldan situr er hann slíkt um fregn. Á gengust eiðar, orð og særi, mál öll meginleg er á meðal fóru. |
Nur Thor schlug zu, zorngeschwollen: selten sitzt er, wenn er solches hört; da wankten Vertrag, Wort und Treuschwur, alle Eide, die sie ausgetauscht. |
Von Zorn bezwungen zögerte Thor nicht, Er säumt selten, wenn er solches vernimmt: Da schwanden die Eide, Wort und Schwüre, Alle festen Verträge, jüngst trefflich erdacht. |
30 |
27 | Veit hún Heimdallar hljóð um fólgið undir heiðvönum helgum baðmi; á sér hún ausast aurgum fossi af veði Valföðurs. Vituð ér enn eða hvað? |
Ich weiß Heimdalls Horn verborgen unterm heilgen Himmelsbaume; Flut seh ich fallen im feuchten Sturz aus Walvaters Pfand- wißt ihr noch mehr? |
Ich weiß Heimdalls Horn verborgen Unter dem himmelhohen heiligen Baum. Einen Strom seh ich stürzen mit starkem Fall Aus Walvaters Pfand: Was wißt ihr noch mehr? |
31 |
28 | Ein sat hún úti þá er inn aldni kom yggjungur ása og í augu leit: Hvers fregnið mig? Hví freistið mín? Allt veit eg, Óðinn, hvar þú auga falt, í inum mæra Mímisbrunni. Drekkur mjöð Mímir morgun hverjan af eði Valföðurs. Vituð ér enn eða hvað? |
Saß einsam draußen, als der Alte kam, der furchtbare Ase, und ins Auge mir sah: Was fragst du mich? Was forschst du bei mir? Ich weiss, Odin, wo dein Auge du bargst.Ich weiß Odins Auge verborgen in Mimirs Quell, dem märchenreichen; Met trinkt Mimir allmorgentlich aus Walvaters Pfand- wißt ihr noch mehr? |
Allein saß sie außen, da der Alte kam, Der Erste der Asen, und ihr ins Auge sah. Warum fragt ihr mich? Was erforscht ihr mich? Alles weiß ich, Odin, wo du dein Auge bargst:In der vielbekannten Quelle Mimirs. Met trinkt Mimir Allmorgentlich Aus Walvaters Pfand: Was wißt ihr noch mehr? |
21
22 |
29 | Valdi henni Herföður hringa og men, fékk spjöll spakleg og spá ganda, sá hún vítt og um vítt um veröld hverja. |
Halsschmuck und Ringe gab Heervater, für Zukunftwissen und Zauberkunde: weit sah ich, weit die Welten alle. |
Ihr gab Heervater Halsband und Ringe Für weise Sprüche Und spähenden Sinn. Sie sah weit und breit Über die Welten all. |
23 |
30 | Sá hún valkyrjur vítt um komnar, görvar að ríða til Goðþjóðar; Skuld hélt skildi, en Skögul önnur, Gunnur, Hildur, Göndul og Geirskögul. Nú eru taldar nönnur Herjans, görvar að ríða grund valkyrjur. |
Ich sah Valküren Weither gekommen, Breit zu reiten Ins Reich der Goten. Skuld hielt den Schild, Skögul war die zweite, Gunn, Hild, Göndul Und Geirskögul. Hier nun habt ihr Herians Mädchen. Die als Walküren Die Welt durchreiten. |
24 | |
31 | Eg sá Baldri, blóðgum tívur, Óðins barni, örlög fólgin; stóð um vaxinn völlum hærri mjór og mjög fagur mistilteinn. |
Ich sah Balder, dem blutenden Gott, Odins Sohne, Unheil bestimmt: ob der Ebne stand aufgewachsen der Zweig der Mistel, zart und schön. |
Ich sah dem Baldr, dem blutenden Gotte, Odins Sohne, Unheil drohen. Gewachsen war über die Wiesen hoch Der zarte, zierliche Zweig der Mistel. |
36 |
32 | Varð af þeim meiði, er mær sýndist, harmflaug hættleg, Höður nam skjóta. Baldurs bróðir var um borinn snemma, sá nam Óðins sonur einnættur vega. |
Ihm ward der Zweig, der zart erschien, zum herben Harmpfeil: |
Von der Mistel kam, so dauchte mich, Der schmerzende Pfeil; Den schuß tat Hödr. Baldrs Bruder War schnell geboren, Einnächtig ging Odins Erbe zum Kampfe. |
37 |
33 | Þó hann æva hendur né höfuð kembdi, áður á bál um bar Baldurs andskota; en Frigg um grét í Fensölum vá Valhallar. Vituð ér enn eða hvað? |
Hödur schoß ihn; und Frigg weinte in den Fensälen um Walhalls Weh- wißt ihr noch mehr? |
Die Hände nicht wusch er, das Haar nicht kämmt‘ er, Eh er zum Bühle trug Baldrs Töter. Doch Frigg beklagte In Fensal dort Wallhals Weh: Was wißt ihr noch mehr? |
38 |
34 | Þá kná Váli vígbönd snúa, heldur voru harðger höft úr þörmum. |
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35 | Haft sá hún liggja undir Hveralundi, lægjarns líki Loka áþekkjan. Þar situr Sigyn þeygi um sínum ver vel glýjuð. Vituð ér enn eða hvað? |
Geknebelt sah ich im Quellenwald den Leib Lokis, den listenreichen. Da sitzt Sigyn, ihr Gesell bringt ihr wenig Wonne- wißt ihr noch mehr? |
In Ketten lag im Quellenwalde In Unholdgestalt der arge Loki. Da sitzt auch Sigyn unsanfter Gebärde Des Gatten waise: Was wißt ihr noch mehr? [Da war gedreht aus den Därmen Walis Und selbst geflochten die tötende Fessel.] |
39 |
36 | Á fellur austan um eiturdala söxum og sverðum, Slíður heitir sú. |
Durch Gifttäler gleitet von Osten mit Schneiden und Schwertern der Schreckenstrom. |
Ein Strom wälzt von Osten Durch Eitertäler Schwerter und Messer, Slidr heißt er. |
40 |
37 | Stóð fyr norðan á Niðavöllum salur úr gulli Sindra ættar; en annar stóð á Ókólni bjórsalur jötuns, en sá Brimir heitir. |
Im Norden stand auf dem Nachtfelde für Sindris Sippe ein Saal aus Gold; ein andrer hob sich auf heißem Grund, der Biersaal des Riesen, der Brimir heißt. |
Nördlich stand Auf dem Ridafeldern Ein Saal aus Gold für Sindris Geschlecht. Ein andrer stand auf Okolnir, Des riesen Biersaal, Brimir genannt. |
41 |
38 | Sal sá hún standa sólu fjarri Náströndu á, norður horfa dyr. Féllu eiturdropar inn um ljóra, sá er undinn salur orma hryggjum. |
Einen Saal sah ich, der Sonne fern, am Totenstrand, das Tor nach Norden: tropfendes Gift träuft durch das Dach; die Wände sind aus Wurmleibern. |
Einen Saal sah sie, der Sonne fern, In Nastrand, die Türen sind nordwärts gekehrt. Gifttropfen fallen durch die Fenster nieder; Aus Schlangenrücken ist der Saal gewunden. |
42 |
39 | Sá hún þar vaða þunga strauma menn meinsvara og morðvarga og þann er annars glepur eyrarúnu. Þar saug Niðhöggur nái framgengna, sleit vargur vera. Vituð ér enn eða hvað? |
Dort sah ich waten durch Sumpfströme Meineidige und Mordtäter; dort sog Nidhögg entseelte Leiber, der Wolf riß Leichen- wißt ihr noch mehr? |
Sie sah im starrenden Strome waten Meuchelmörder und Meineidige, Und die andrer Liebsten ins Ohr geraunt. Da sog Nidhöggr entseelte Leiber, Der Menschenwürger: was wißt ihr noch mehr? |
43 |
40 | Austur sat in aldna í Járnviði og fæddi þar Fenris kindir. Verður af þeim öllum einna nokkur tungls tjúgari í trölls hami. |
Eine Alte östlich im Erzwald saß; die Brut Fenrirs gebar sie dort. Von ihnen allen wird einer dann des Tageslichts Töter, trollgestaltet. |
Östlich saß die Alte im Eisenwald Und fütterte dort Fenrirs Geschlecht. Von ihnen allen Wird eins das schlimmste: Des Mondes Mörder übermenschlicher Gestalt. |
32 |
41 | Fyllist fjörvi feigra manna, rýður ragna sjöt rauðum dreyra. Svört verða sólskin um sumur eftir, veður öll válynd. Vituð ér enn eða hvað? |
Er füllt sich mit Fleisch gefallner Männer, rötet mit Blut der Rater Sitz. Schwarz wird die Sonne die Sommer drauf; Wetter wüten- wißt ihr noch mehr? |
Ihn mästet das Mark gefällter Männer, Der Götter Saal Besudelt das Blut. Der Sonne Schein dunkelt in kommenden Sommern, alle Wetter wüten: Was wißt ihr noch mehr? |
33 |
42 | Sat þar á haugi og sló hörpu gýgjar hirðir, glaður Eggþér; gól um honum í galgviði fagurrauður hani, sá er Fjalar heitir. |
Dort saß auf dem Hügel und schlug die Harfe der Riesin Hüter, der heitre Eggdir; es krähte bei ihm im Kiefernbusch der feuerrote Hahn, der Fjalar heißt. |
Da saß auf dem Hügel Und schlug die Harfe Der Riesin Hüter, der heitre Egdir. Vor ihm sang im Vogelwalde der hochrote Hahn geheißen Fialar. |
34 |
43 | Gól um ásum Gullinkambi, sá vekur hölda að Herjaföðurs; en annar gelur fyr jörð neðan sótrauður hani að sölum Heljar. |
Doch Güldenkamm bei den Göttern kräht: er weckt die Helden bei Heervater; unter der Erde ein anderer kräht, in Hels Halle, ein braunroter Hahn. |
Den Göttern gellend sang Gullinkambi, Er weckt die Helden bei Heervater; Unter der Erde singt ein andrer, Der schwarzrote Hahn in den Säälen Hels. |
35 |
44 | Geyr Garmur mjög fyr Gnipahelli, festur mun slitna en freki renna. Fjöld veit hún fræða, fram sé eg lengra um ragnarök römm sigtíva. |
Gellend heult Garm vor Gnipahellir: es reißt die Fessel, es rennt der Wolf. Vieles weiß ich, Fernes schau ich: der Rater Schicksal, der Schlachtgötter Sturz. |
Gräßlich heult Garm vor der Gnipahöhle, Die Fessel bricht und Freki rennt. Viel weiß die Weise, sieht weit voraus. Der Welt Untergang, der Asen Fall. |
44 |
45 | Bræður munu berjast og að bönum verðast, munu systrungar sifjum spilla; hart er í heimi, hórdómur mikill, skeggöld, skálmöld, skildir eru klofnir, vindöld, vargöld, áður veröld steypist, mun engi maður öðrum þyrma. |
Brüder kämpfen und bringen sich Tod, Brudersöhne brechen die Sippe; arg ist die Welt, Ehbruch furchtbar, Schwertzeit, Beilzeit, Schilde bersten, Windzeit, Wolfzeit bis die Welt vergeht- nicht einer will des andern schonen. |
Brüder befehden sich und fällen einander, Geschwisterte sieht man die Sippe brechen, Der eine schont Des andren nicht mehr.Unerhörtes eräugt sich, großer Ehbruch. Beilalter, Schwertalter, Schilde krachen, Windzeit, Wolfzeit, eh die Welt zerstürzt. |
45
46 |
46 | Leika Míms synir, en mjötuður kyndist að inu galla Gjallarhorni. Hátt blæs Heimdallur, horn er á lofti, mælir Óðinn við Míms höfuð. |
Es gärt bei den Riesen; des Gjallarhorns, des alten, Klang kündet das Ende. Hell bläst Heimdall, das Horn ragt auf; Odin murmelt mit Mimirs Haupt. |
Mimirs Söhne spielen, das Schicksal entzündet sich Beim gellenden Ruf des Giallarhorns. Ins erhobne Horn bläst Heimdall laut; Odin murmelt mit Mimirs Haupt. |
47 |
47 | Skelfur Yggdrasils askur standandi, ymur ið aldna tré, en jötunn losnar. Hræðast allir á helvegum áður Surtar þann sefi um gleypir. |
Yggdrasils Stamm steht erzitternd, es rauscht der Baumgreis; der Riese kommt los. Alles erbebt in der Unterwelt, bis der Bruder Surts den Baum verschlingt. |
Yggdrasil zittert, die Eiche, doch steht sie, Es rauscht der alte Baum, und der Riese wird frei. [Sie bangen alle in den Banden Hels, Bevor sie Surts Flamme verschlingt.] |
48 |
48 | Hvað er með ásum? Hvað er með álfum? Gnýr allur Jötunheimur, æsir eru á þingi, stynja dvergar fyr steindurum, veggbergs vísir. Vituð ér enn eða hvað? |
Was gibt’s bei den Asen? Was gibt’s bei den Alben? Riesenheim rast; beim Rat sind die Götter. Vor Steintoren stöhnen Zwerge, die Weisen der Felswand- wißt ihr noch mehr? |
Was ist mit den Asen? was ist mit den Alfen? All Jötunheim ächzt, die Asen versammeln sich. Die Zwerge stöhnen vor steinernen Türen, Der Bergwege Weiser: was wißt ihr noch mehr? |
53 |
49 | Geyr nú Garmur mjög fyr Gnipahelli, festur mun slitna en freki renna, fjöld veit hún fræða, fram sé eg lengra um ragnarök römm sigtíva. |
Gellend heult Garm vor Gnipahellir: es reißt die Fessel, es rennt der Wolf. Vieles weiß ich, Fernes schau ich: der Rater Schicksal, der Schlachgötter Sturz. |
Gräßlich heult Garm vor der Gnipahöhle. Die Fessel bricht Und Freki rennt. Viel weiß die Weise, sieht weit voraus. Der Welt Untergang, der Asen Fall. |
49 |
50 | Hrymur ekur austan, hefist lind fyrir, snýst Jörmungandur í jötunmóði. Ormur knýr unnir, en ari hlakkar, slítur nái Niðfölur, Naglfar losnar. |
Hrym fährt von Osten, er hebt den Schild; im Riesenzorn rast die Schlange. Sie schlägt die Wellen; es schreit der Aar, Leichen reißt er; los kommt Nagelfar. |
Hrym fährt von Osten Und hebt den Schild, Jörmungandr wälzt sich im Jötunzorne. Der Wurm schlägt die Flut, der Adler facht, Leichen zerreißt er; los wird Naglfar. |
50 |
51 | Kjóll fer austan, koma munu Múspells um lög lýðir, en Loki stýrir. Fara fíflmegir með freka allir, þeim er bróðir Býleists í för. |
Der Kiel fährt von Osten, es kommen Muspells Leute zum Land; Loki steuert. Mit dem Wolfe zieht die wilde Schar; Byleipts Bruder bringen sie mit. |
Ein Kiel fährt von Osten, da kommen Muspels Söhne über die See gesegelt; sie steuert Loki. Des Untiers Abkunft ist all mit dem Wolf; Auch Byleists Bruder ist ihm verbündet. |
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52 | Surtur fer sunnan með sviga lævi, skín af sverði sól valtíva. Grjótbjörg gnata, en gífur rata, troða halir helveg en himinn klofnar. |
Surt zieht von Süden mit sengender Glut; von der Götter Schwert gleißt die Sonne. Riesinnen fallen, Felsen brechen; zur Hel ziehn Männer, der Himmel birst. |
Surtr fährt von Süden mit flammender Glut, Von seinem Schwerte scheint die Sonne der Götter. Steinberge stürzen, Riesinnen straucheln, Zur Hel fahren Helden, der Himmel klafft. |
52 |
53 | Þá kemur Hlínar harmur annar fram, er Óðinn fer við úlf vega, en bani Belja bjartur að Surti; þá mun Friggjar falla angan. |
Dann naht neue Not der Göttin, wenn wider den Wolf Walvater zieht und gegen Surt der sonnige Freyr: fallen muß da Friggs Geliebter. |
Da hebt sich Hlins andrer Harm, Da Odin eilt Zum Angriff des Wolfs. Belis Mörder mißt sich mit Surtr; Da fällt Friggs einzige Freude. |
54 |
54 | Geyr nú Garmur mjög fyr Gnipahelli, festur mun slitna, en freki renna. |
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55 | Þá kemur inn mikli mögur Sigföður, Víðar, vega að valdýri. Lætur hann megi Hveðrungs mundum standa hjör til hjarta, þá er hefnt föður. |
Der starke Sohn Siegvaters kommt, Widar, zum Kampf mit dem Waltiere: es stößt seine Hand den Stahl ins Herz dem Riesensohn; so rächt er Odin. |
Da kommt geschritten Hlodyns schöner Erbe, Wider den Wurm wendet sich Odins Sohn.Nicht säumt Siegvaters Erhabener Sohn Mit dem Leichenwolf, Widar, zu fechten: Er stößt mit der Hand Den Stahl ins Herz Dem Sohn des Riesen: So rächt er den Vater. |
56 – 1
55
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56 | Gín loft yfir lindi jarðar. Gapa ýgs kjaftar orms í hæðum. Mun Óðins son eitri mæta vargs að dauða Víðars niðja. |
Der hehre Sproß der Hlodyn naht. Der Lande Gürtel gähnt zum Himmel: Gluten sprüht er, und Gift speit er; entgegen geht der Gott dem Wurm. |
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57 | Þá kemur inn mæri mögur Hlóðynjar, gengur Óðins sonur við orm vega, drepur hann af móði Miðgarðs véur, munu halir allir heimstöð ryðja; gengur fet níu Fjörgynjar bur neppur frá naðri níðs ókvíðinn. |
Der Erde Schirmer schlägt ihn voll Zorn- die Menschen müssen Midgard räumen-; weg geht wankend vom Wurm neun Schritt, der Gefecht nicht floh, der Fjörgyn Sohn. |
Mutig trifft er Midgards Schützer. – Alle Wesen müssen die Weltstatt räumen. – Neun Fuß weit fährt Fiörgyns Sohn Weg von der Natter, die nichts erschreckte. |
56 – 2 |
58 | Sól tér sortna, sígur fold í mar, hverfa af himni heiðar stjörnur. Geisar eimi við aldurnara, leikur hár hiti við himin sjálfan. |
Die Sonne verlischt, ifdas Land sinkt ins Meer; vom Himmel stürzen die heitern Sterne. Lohe umtost den Lebensnährer; hohe Hitze steigt himmelan. |
Schwarz wird die Sonne, die Erde sinkt ins Meer, Vom Himmel schwinden Die heitren Sterne. Glutwirbel umwühlen den allnährenden Weltbaum Die heiße Lohe beleckt den Himmel. |
57 |
59 | Geyr nú Garmur mjög fyr Gnipahelli, festur mun slitna, en freki renna. |
Gellend heult Garm vor Gnipahellir: es reisßt die Fessel, es rennt der Wolf. Vieles weiß ich, Fernes schau ich: der Rater Schicksal, der Schlachtgötter Sturz. |
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60 | Sér hún upp koma öðru sinni jörð úr ægi iðjagræna. Falla fossar, flýgur örn yfir, sá er á fjalli fiska veiðir. |
Seh aufsteigen zum andern Male Land aus Fluten, frisch ergrünend: Fälle schäumen; es schwebt der Aar, der auf dem Felsen Fische weidet. |
Sie sieht auftauchen zum andernmale Aus dem Wasser die Erde und wieder grünen. Die Fluten fallen, darüber fliegt der Aar, Der auf dem Felsen nach Fischen weidet. |
58 |
61 | Finnast æsir á Iðavelli og um moldþinur máttkan dæma og minnast þar á megindóma og á Fimbultýs fornar rúnar. |
Auf dem Idafeld die Asen sich finden und reden dort vom riesigen Wurm und denken da der grossen Dinge und alter Runen des Raterfürsten. |
Die Asen einen sich auf dem Idafelde, Und sprechen vom mächtgen Umspanner der Welt. Uralter Sprüche sind sie da eingedenk. Und von Fimbultyr gefundener Runen. |
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62 | Þar munu eftir undursamlegar gullnar töflur í grasi finnast, þær er í árdaga áttar höfðu. |
Wieder werden die wundersamen goldnen Tafeln im Gras sich finden, die vor Urtagen ihr eigen waren. |
Da werden sich wieder die wundersamen Goldenen Tafeln im Grase finden, Die in Urzeiten Die Asen hatten. |
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63 | Munu ósánir akrar vaxa, böls mun alls batna, Baldur mun koma. Búa þeir Höður og Baldur Hrofts sigtóftir vel valtívar. Vituð ér enn eða hvað? |
Unbesät werden Äcker tragen; Böses wird besser: Balder kehrt heim; Hödur und Balder hausen im Sieghof, froh, die Walgötter- wißt ihr noch mehr? |
Da werden unbesät Die Äcker tragen, Alles Böse bessert sich, Baldr kehrt wieder. In Heervaters Hof wohnen Hödr und Baldr, Die Walgötter. Was wißt ihr noch mehr? |
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64 | Þá kná Hænir hlautvið kjósa og burir byggja bræðra tveggja vindheim víðan. Vituð ér enn eða hvað? |
Den Loszweig heben wird Hönir dann; es birgt beider Brüder Söhne das weite Windheim- wißt ihr noch mehr? |
Da kann Hönir sich kiesen sein Los, Und beider Brüder Söhne bewohnen Das weite Windheim. Was wißt ihr noch mehr? |
62 |
65 | Sal sér hún standa sólu fegra, gulli þaktan á Gimlé. Þar skulu dyggvar dróttir byggja og um aldurdaga yndis njóta. |
Einen Sall seh ich sonnenglänzend, mit Gold gedeckt, zu Gimle stehn: wohnen werden dort wackre Scharen, der Freuden walten in fernste Zeit. |
Einen Saal seh ich Heller als die Sonne, Mit Gold bedeckt auf Gimles Höhn: Da werden bewährte Leute wohnen Und ohne Ende der Ehren genießen. |
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66 | [Þá kemur inn ríki að regindómi öflugur ofan, sá er öllu ræður.] |
[Da kommt der Mächtige zur Wahlstatt der Götter, Der Starke herab, der alles steuert. Den Streit entscheidet er, schlichtet Zwiste, Und ordnet ewige Satzungen an.] |
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67 | Þar kemur inn dimmi dreki fljúgandi, naður fránn, neðan frá Niðafjöllum; ber sér í fjöðrum, flýgur völl yfir, Niðhöggur nái. Nú mun hún sökkvast. |
Der düstre Drache tief drunten fliegt, die schillernde Schlange, aus Schluchtendunkel. Er fliegt übers Feld; im Fittich trägt Nidhögg die Toten: nun versinkt er. |
Nun kommt der dunkle Drache geflogen, Die Natter herauf aus den Nidafelsen. Das Feld überfliegend trägt er auf den Flügeln, Nidhöggr, Leichen – und nieder senkt er sich. |
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Den Originaltext habe ich aus dem Projekt Runeberg, die Genzmer’sche Übersetzung stammt aus Die Edda: Götterdichtung, Spruchweisheit und Heldengesänge der Gemanen, Diederichs Verlag, München, 1992 und die Simrock Übersetzung fand ich in: Die Götterlieder der Älteren Edda: Reclam, Leipzig, 1944