Das Thrymlied

Das Thrymlied

Grimm ward da Wingthor,
als er erwachte
und umsonst seinen Hammer suchte:
er schwenkte den Bart
jäh griff um sich
der Jörd Sprößling

Und also war
sein erstes Wort:
„Lausche, was ich,
Loki, dir sage,
was niemand noch vernahm auf Erden,
noch auf Himmels Höhn:
Mein Hammer ist gestohlen!“

Sie schritten zu Freyjas
schönem Hofe,
und also war
sein erstes Wort:
„Leih mir, Freyja,
dein Federkleid,
daß meinen Hammer
ich holen kann!“

Freija:
„Dir wollt ichs geben,
obs auch golden wäre;
dein sollt es sein,
wenn es silbern wäre.“

Es flog Loki,
die Federn rauschten,
bis hinter ihm lag
das Heim der Asen
und vor ihm lag
die Flur der Riesen.

Auf dem Hügel saß Thrym,
der Thurfen König;
er band den Bracken
Bänder von Gold
und strich den Mähren
die Mähnen glatt

Thrym:
„Was gibts bei den Asen?
Was gibts bei den Alben?
Was trieb dich allein
nach Thurfenheim?“

Loki:
„Schlimm gehts den Asen!
Schlimm gehts den Alben!
Hast du verhohlen
den Hammer Thors?“

Thrym:
„Verhohlen hab ich
den Hammer Thors
unter der Erde
wohl acht Meilen.
Wieder heimwärts
holt ihn niemand,
führt man als Frau
mir Freyja nicht her.“

Es flog Loki,
die Federn rauschten,
bis hinter ihm lag
das Heim der Riesen
und vor ihm lag
die Flur der Asen.
Draußen traf er
Thor im Hofe,
und also war
sein erstes Wort:

„Ward dir Wissen,
das Wert der Müh?
Sag aus der Luft
langen Bericht!
Das Sagen verfliegt
dem Sitzenden oft;
Lügen bringt leicht
der Liegende vor.“

Loki:
„Wissen ward mir,
das wert der Müh:
Thrym hat den Hammer,
der Thurfen König.
Wieder heimwärts
holt ihn niemand,
führt man als Frau
ihm Freyja nicht hin.“

Sie schritten hin
zur schönen Freyja,
und also war sein erstes Wort:
„Binde dich, Freyja,
mit Brautlinnen!
Wir reisen zu zweien
nach Riesenheim.“

Grimm ward da Freyja,
grollend schnob sie,
der ganze Saal
der Götter bebte,
hinsprang der breite
Brisingenschmuck:
„Die mannstollste
müßte ich sein
reist ich mit dir
nach Riesenheim!“

Die Asen eilten
alle zum Ding
und die Asinnen
alle zum Rat;
und das berieten
die reichen Götter,
wie heim sie holten
den Hammer Thors.

Da sprach Heimdall,
der hellste Gott –
er wußte die Zukunft,
den Wanen gleich:

„Binden wir Thor
mit Brautlinnen!
Er trage den breiten
Brisingenscmuck!
Lassen wir Schlüssel
am Leib ihm flirren
und Frauenkleider
aufs Knie fallen
und breite Steine
auf der Brust liegen,
türmen wir hoch
den Hauptschmuck ihm!“

Da sagte Thor,
der trutzstarke:
„Weibisch nennen mich
Wanen und Asen,
laß ich mich binden
mit Brautlinnen.“

Da sprach Loki,
der Lausey Sohn:
„Solche Sprache
spare dir, Thor!
Bald sitzen Riesen
im Ratersaal
holst du nicht heim
den Hammer dir.“

Sie banden Thor
mit Brautlinnen
und mit dem breiten
Brisingenschmuck.
Sie ließen Schlüssel
am Leib ihm flirren
und Frauenkleider
aufs Knie fallen
und breite Steine
auf der Brust liegen
und türmten hoch
den Hauptschmuck ihm.

Da sprach Loki,
der Lausey Sohn:
„Ich will bei dir
als Dienerin sein;
wir reisen zu zweien
nach Riesenheim.“

Bald waren heim
die Böcke getrieben,
an die Sielen geschirrt,
sie sollten rennen.
berge barsten,
es brannte der Grund:
aus fuhr da Thor
nach Riesenheim.

Da sagte Thrym,
der Thurfen König:
„Stehet nun auf,
bestreut die Bänke!
Führt mir als Frau
nun Freyja her,
des Njörd Tochter
aus Noatun!

Zum Hof gehn hier Kühe,
die Hörner golden,
rabenschwarze Ochsen,
dem Riesen zur Lust;
hab vielen Schmuck,
hab viele Schätze,
Freyja allein
fehlte mir noch.“

Man fand zu Abend
dort früh sich ein;
herbeigebracht
ward das Bier den Riesen.
Einen Ochsen aß er
und acht Lachse,
alles Backwerk,
gebracht den Frauen,
es trank da Thor
drei Tonnen Met.

Da sagte Thrym,
der Thurfen König:
„Wo schautest du Bräute
schärfer beißen?
Nie sah ich Bräute
breiter beißer
noch auch mehr Met
eine Maid trinken.“

Da war nicht weit
die gewitzte Magd;
auf des Riesen Rede
fand rasch sie ein Wort:
„Nichts aß Freyja
acht Nächte lang;
so sehnte sie sich
nach dem Saale Thryms.“

Unters Linnen lugt er,
lüstern zu küssen;
einen Satz tat er,
den Saal entlang:
„Wie furchtbar sind
Freyjas Augen!
Wie Feuer flammt es
aus Freyjas Blick!“

Da war nicht weit
die gewitzte Magd;
auf des Riesen Rede
fand rasch sie ein Wort:
„Nicht schlief Freyja
acht Nächte lang;
so sehnte sie sich
nach dem Saale Thryms.“

Herein kam die arme
Riesenschwester,
die um Brautgabe
bitten wollte:
„Die roten Ringe
reich mir vom Arm,
willst du meine
Minne haben,
meine Minne
und meine Huld!“

Da sagte Thrym,
der Thurfen König:
„Bringt den Hammer,
die Braut zu weihn!
Leget Mjöllnir
der Maid in den Schoß!
Mit der Hand der War
weiht uns zusammen!“

Das Herz im Leib
lachte da Thor,
als der hartgemute
den Hammer sah:
erst traf er Thrym,
der Thurfen König;
der Riesen Geschlecht
erschlug er ganz.

Er schlug auch die arme
Schwester der Riesen,
die Brautgabe
erbeten hatte:
Schellen bekam sie
statt Schillinge
und Hammerhiebe
statt heller Ringe.

So holte Thor
den Hammer zurück.

Unser Dank gilt Alexander für den zugesanden Text.