Hamdismal – Das Lied von Hamdir

Hamdismal
Das Lied von Hamdir

Zeitig huben sich harmvolle Taten,
Als Alfe trauerten um des Tages Anbruch.
Zur Morgenstunde erwachen den Menschen
Die Sorgen alle, die Herzen beschweren.

Nicht heute war es, noch war es gestern,
Lange Zeit verlief seitdem,
Daß Gudrun trieb, die Tochter Giukis,
Die jungen Söhne Swanhilden zu rächen:

„Eure Schwester war es, Swanhild geheißen,
Die der stolze Jörmunrek von Gäulen zerstampfen ließ
Auf offnem Wege, weißen und schwarzen,
Grauen, gangzahmen, gotischen Rossen.

Verlassen lebt ihr, Lenker der Völker;
Ihr allein seid übrig von all meiner Sippe.
Ich auch bin einsam wie die Espe des Waldes:
Meine Freunde fielen wie der Föhre die Zweige,
Aller Lust bin ich ledig wie des Laubs ein Baum,
Wenn ihm ein Sommersturm die Zweige beschädigte.

Sehr ungleich seht ihr Gunnars Geschlechte
Nicht hohes Herzens wie Högni war.
Ihr würdet ihr, wähn ich, nicht weigern die Rache,
Hättet ihr Mut wie meine Brüder
Und hunnischer Herrscher herben Sinn.“

Da hub Hamdir an aus hohem Mut:
Da hast du träger traun Högnis Tat gelobt,
Als sie den Sigurd vom Schlaf erweckten:
Du saßest im Bette und die Schacher lachten.

Deine Bettdecken flossen, die blauweißen,
Das künstliche Stickwerk, von des Kühnen Blut.
Sigurd erstarb; du saßest bei dem Toten
Dem Lachen gram, so lohnte dir Gunnar.

Den Atli zu strafen erschlugst du den Erp
Und Eitil dazu; aber am meisten
Schmerzt es dich selber. So sollte doch
Ein jeder gebrauchen des durchbohrenden Schwertes
Andern zu schaden, sich selber nicht.“

Sörli sprach da aus weisem Sinn:
„Nicht will ich Worte wechseln mit der Mutter;
Doch eins gebricht an euern Reden:
Was verlangst du, Gudrun, das du vor Leid nicht sagst?

Du beklagst die Brüder und die holden Kinder
Und spornst zu Streit die Spätgebornen.
Du wirst dich, Gudrun, um uns auch grämen,
Wenn wir fern im Gefecht von den Rossen fielen.“ –

Unwirsch ritten sie aus dem Hofe.
Die tauigen Täler durchtrabten die Jünglinge
Auf hunnischen Mähren den Mord zu rächen.

Sie fanden Erp auf ihrem Wege,
Der kühn auf dem Rücken des Rosses spielte.
„Was hilft es, dem Blöden die Bahnen zu weisen?“
Sie schalten den Edeln unehlich geboren.

Sie fragten den Tapfern, da sie ihn trafen:
„Was würdest du fuchsiger Zwerg uns frommen?“

Erp gab zur Antwort, andrer Mutter Sohn:
„So will ich Beistand euch beiden leisten
Wie eine Hand der andern hilft,
Wie Fuß dem Fuß den Freunden helfen.“

„Was frommt der Fuß dem Fuße wohl?
Mag eine Hand der andern helfen?“

Aus der Scheide rissen sie die scharfe Klinge,
Mit dem harten Eisen Hel zu erfreun.
Sie schwächten die Stärke sich selbst um ein Drittel,
Da ihr junger Bruder zu Boden stürzte.

Sie schüttelten die Hüllen, die Schneide bargen sie,
Kleideten, die Kämpen, sich in kampflich Gewand.
Sie fuhren weiter unheimliche Wege,
Sahn der Schwester Stiefsohn versehrt am Baum,
Am windkalten Wolfsbaum westlich der Burg,
Als rief er den Raben: da war übel rasten.

Laut in der Halle war’s von lustigen Zechern:
Sie hörten der Hengste Hufschall nicht
Bis der sorgende Wächter das Horn erschallen ließ.

Sie eilten und sagten dem Jörmunrek,
Unter Helmen würden Helden erschaut:
„Gebt weislichen Rat, die Gewaltigen nahn:
Starken Männern zum Schaden zerstampft ward die Maid.“

Jörmunrek schmunzelte und strich sich den Bart;
Nicht wollt er sein Streitgewand: er stritt mit dem Wein.
Das Schwarzhaupt schüttelt er, sah nach dem weißen Schild
Und kehrte keck den Kelch in der Hand:

„Selig schien ich mir, schaut ich hier
Hamdir und Sörli in meiner Halle.
Ich bände sie beide mit Bogensehnen,
An den Galgen hängt ich Giukis gute Kinder.“

Da rief der Erhabne von hohen Stufen,
Der Waltende warnte seine Verwandten:
„Dürfen diese so Dreistes wagen,
Zwei Männer allein zehn hundert Goten
Binden und bändigen in der hohen Burg?“

Hall ward im Hofe, die Humpen stürzten
Und Männer ins Blut aus Menschenbrüsten.

Da hob Hamdir an aus hohem Mut:
„Ersehnst du, Jörmunrek, unser Erscheinen,
Der Vollbrüder beide in deiner Burg?
Nun siehst du die Füße, siehst deine Hände,
Jörmunrek, liegen und lodern in Glut.“

Dawider hob sich der hohe Berater,
Den die Brünne barg, wie ein Bär hob er sich:
„Schleudert Steine, wenn Geschosse nicht haften
Noch scharfe Schwerter, auf die Söhne Jonakurs.“

Da hob Hamdir an aus hohem Mut:
„Übel tatest du, Bruder, den Mund zu öffnen:
Oft aus dem Munde kommt übler Rat.“

Sörli:
„Mut hast du, Hamdir, hättest du auch Weisheit!
Viel mangelt dem Mann, dem Mutterwitz fehlt.

Nun läge das Haupt, war Erp am Leben,
Unser tapfrer Bruder, den wir herwärts töteten,
Den raschen Recken; üble Disen reizten mich:
Den wir heilig sollten halten, den haben wir gefällt.

Nicht ziemt uns beiden, nach der Wölfe Beispiel
Uns selbst grimm zu sein wie der Nornen Grauhunde,
Die gefräßig sich fristen im öden Forst.

Schön stritten wir: wir sitzen auf Leichen,
Von uns gefällten, wie Adler auf Zweigen.
Hohen Ruhm erstritten wir, wir sterben heut oder morgen:
Den Abend sieht niemand wider der Nornen Spruch.“

Da sank Sörli an des Saales Ende,
Hinter dem Hause fand Hamdir den Tod.
Dies ist das alte Hamdismal.

Unser Dank gilt Dungeon Keeper für den zugesanden Text.