Der Mythos um Castel del Monte

Der Mythos um Castel del Monte

Im Mai 1240 gab Kaiser Friedrich II den Auftrag zum Bau eines Castels in der hügelreichen Landschaft von Apulien in der Nähe der Kirche Santa Maria de Monte, die heute nicht mehr erhalten ist. Noch im selben Jahr begannen die Bauarbeiten, doch die heutige Forschung ist sich inzwischen sicher, daß der Bau erst im Jahre 1250 vollendet wurde. Wenn dem so ist, war Friedrich II wahrscheinlich nie oder nur ganz kurz im Castel del Monte. Von einigen Hochzeitsfeierlichkeiten abgesehen, wurde es später größtenteils als Gefängnis genutzt. Ab dem 18.Jh. stand es verlassen, bis es 1876 vom italienischen Staat für lächerliche 25000 Lire erworben und bis in die 80er Jahre des 20.Jh. restauriert wurde.
Die einzigartige achteckige Form des Castel del Monte veranlaßt aber noch heute zu Spekulationen über seine eigentliche Bestimmung und Nutzung, die Friedrich II vorschwebte. Ein Kastell kann es unmöglich gewesen sein, da es weder Zugbrücke und Schießscharten zur Verteidigung, noch Unterkünfte und Ställe für Soldaten und Pferde besitzt. Die trapezförmigen Innenräume waren wertvoll und üppig ausgestattet – zu wertvoll für ein Jagdschloß, heißt es. Zumal das Castel weder Lagerräume zur Aufbewahrung von Lebensmitteln, noch eine Küche für deren Zubereitung besitzt. Die einsame Lage, die besonderen Feinheiten und Raffinessen in den geometrischen Abmessungen, die den Hauch von Mystik und Magie vermitteln, lassen vermuten, daß das Castel del Monte der Repräsentation kaiserlicher Macht und Kultur sowie als Symbol für Wohlstand und Wissen dienen sollte.
Das Achteck ist das Symbol des Wissens, dessen war Friedrich sich wohl bewußt. Acht ist die Ziffer des kosmischen Gleichgewichts. Die oktogonale Form des Castel del Monte ist der Versuch einer Verbindung zwischen Kreis und Quadrat, zwischen Himmel und Erde. Aus der Luft gleicht das Castel einem riesigen Brunnen. Aus dieser Sichtweise könnte man das Bauwerk als Synthese der drei kosmischen Ebenen Himmel, Erde und Hölle betrachten, ebenso wie als Zusammenspiel der drei Naturelemente Wasser, Erde und Luft. Das Bild des Brunnens steht außerdem für den „Brunnen der Weisheit und des Wissens“. Desweiteren ist der Brunnen Symbol der Auferstehung und erinnert an den Ritus des Eintauchens der Täuflinge, um so das ewige Leben zu erhalten.
Aber auch die Vermutung, das Castel sei eine riesige Sonnenuhr, bleibt bestehen. Das Castel del Monte ist genau nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet und seine Fassade orientiert sich gen Osten. Zu den beiden Tag- und Nachtgleichen fällt der erste Sonnenstrahl durch das Fenster des oberen Stockwerks direkt über dem Portal, durchquert den Saal, tritt aus dem Fenster zum Hof wieder aus und setzt sich fort bis auf eine rechteckige Vertiefung in der gegenüberliegenden Wand, wo sich einst ein Tiefenrelief befand von einer griechischgekleideten Frau, die die Huldigung einiger Verehrer entgegennimmt. In ihr wird die Erdgöttin vermutet, die die Sonne als Bräutigam begrüßt.
Die Türen der Räume können nach dem Lauf der Sonne durchschritten werden. Fast alle Räume haben zwei Türen – einen Eingang und einen Ausgang. Nur die zwei Räume, die genau auf jene Punkte des Horizonts weisen, wo die Sonne zu den beiden Sonnenwenden inne hält und sich auf ihre alte Bahn zurückbegiebt, haben nur eine Tür durch die man ein- und auch wieder austreten muß. Genauso wie die Sonne!
Einer der Fußböden ist mit einem Mosaik versehen, daß eindeutig zur Ausführung von Zauberriten diente. Ein doppeltes Quadrat ausgerichtet nach den Himmelsrichtungen, die Ecken sind von einem Kreis umschlossen in denen die Adepten saßen. In der Mitte befand sich vermutlich ein zweiter Kreis für den Magier. Außerhalb des Quadrats wiederholt sich im Fußboden unendlich oft das Salomonssiegel.
Im Schlußstein eines Saales findet man den „Bafometto“ dargestellt, der geheimnisumwitterte Kopf der Templer.
Doch das Eingangstor, das nach dem Pentagramm und dem Goldenen Schnitt erbaut wurde, verrät das Castel del Monte eindeutig als Initiations-Tempel. Das Pentagramm begegnet uns erneut in der Anordnung der fünf Zisternen auf den Türmen und den fünf Kaminen in den Räumen, wobei die Zisternen das Element Wasser und die Kamine das Feuer symbolisieren.
Solche Beispiele liesen sich unendlich fortsetzen. Das Castel del Monte ist ein esoterisches Bilderbuch der Astronomie und voller Symbolik. Kein Wunder, daß die Kirche Friedrich II für den Antichrist hielt.

Quelle: Stefania Mola „Castel del Monte“
denise.mittgard.02-10